Buchvorstellung:Werkeln an der Freundschaft

Lesezeit: 3 min

"Anders gemeinsam": Die Finanzminister Michel Sapin und Wolfgang Schäuble stellen mit dem Journalisten Ulrich Wickert ihr Buch vor (v. li.). (Foto: Markus Schreiber/AP)

Finanzminister Schäuble und sein französischer Kollege Sapin reden über Politik und Persönliches.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Gemessen am Altersdurchschnitt des Publikums ist die deutsch-französische Freundschaft an diesem Montag etwas für reifere Jahrgänge. Mehrheitlich betagte Anzug- und Stockträger sind es, die sich auf den Weg in die französische Botschaft gemacht haben, wo zwei Altersgenossen, nämlich die Minister Wolfgang Schäuble und Michel Sapin, ihr gemeinsames Buch vorstellen, in dem sie über Ernstes wie die Euro-Krise oder das Schicksal Griechenlands bis hin zu Persönlichem wie ihren Sprachkenntnissen geplaudert haben. Und das einzige, was den in die samtbezogenen Stühlen der Aula gesunkenen Gästen an diesem Nachmittag fehlt, um vollends der Aura der auf der Bühne zelebrierten deutsch-französischen Freundschaft zu verfallen, ist zweifelsohne ein guter, reifer Rotwein.

"Der eine kann Sozialist sein, der andere Christdemokrat, das spielt keine Rolle", sagt Wickert

Doch offenbar ändern sich in Frankreich die Gepflogenheiten, es gibt keinen Wein für die Gäste, aber dafür einen Moderator, der sich bestens damit auskennt, eine angenehme Atmosphäre zu zaubern. Ulrich Wickert, einst Korrespondent in Paris und später Sprecher der Tagesthemen, sitzt so entspannt neben Wolfgang Schäuble auf der Bühne, dass sich die Zuschauer sofort an ein legendäres Vorgespräch der beiden zu einem Interview erinnert gefühlt haben dürften. Wickert gestand damals Schäuble, aber unwissend auch einem Millionen-TV-Publikum, abgenommen zu haben - weil er die Weinflasche nach den Sendungen häufiger zu lasse.

Am Montag in der Botschaft haben sich die beiden deutschen Weinliebhaber einen Gast dazu genommen, eben Michel Sapin. Schäuble sitzt in der Mitte, links von ihm Wickert, recht von ihm Sapin. Es sind drei Herren, die sich, so wie es aussieht, wirklich mögen. Und, die sich offenbar der Weisheit bewusst sind, dass eine Freundschaft nur so lange lebt, wie an ihr gearbeitet wird. Die beiden Finanzminister wollen zeigen, dass wird schnell klar, dass sie hier an ihrer Freundschaft werkeln, in einem Augenblick, in dem Europa auseinanderzubrechen droht. Sie bestreiten in keinem Punkt, dass es Unterschiede zwischen beiden Ländern gibt, schon wegen Geschichte, Kultur und Tradition - und wie sich daraus doch immer eine deutsch-französische Lesart entwickeln lässt.

Der Einstieg ist ein wenig staatstragend, "wenn man das Buch liest, wird man feststellen, der eine kann Sozialist sein, der andere Christdemokrat, das spielt keine Rolle", sagt Wickert. Neu ist das nicht, ebenso wenig wie die Feststellung, dass es bei allen Differenzen zwischen Deutschen und Franzosen etwas gibt, was die Basis der Freundschaft ist: nämlich ein gemeinsames Vertrauen. Dann kommen die Flüchtlinge dran und die obligatorische Frage nach der Bereitwilligkeit des französischen Premierministers Manuel Valls, zusätzliche Flüchtlinge in Frankreich anzusiedeln. Es ist eine Frage, die viele Deutsche umtreibt, seit der Premier Anfang des Jahres bei einem Besuch in Deutschland so übersetzt wurde, als schließe Paris das für immer aus. Sapin erläutert geduldig zum x-ten Male, dass der Premierminister offenbar nicht vollständig zitiert worden sei. Schäuble springt ihm zur Seite. Franzosen müssten anders als Deutsche nicht erst lernen, was Globalisierung und Weltpolitik bedeuteten. Für Deutschland sei das Zusammentreffen mit der Globalisierung, wozu Schäuble auch Flüchtlinge zählt, "ein größerer Schock, weil wir feststellen, dass die Nische, in der wir bis zur Wiedervereinigung und auch noch danach gelebt haben, nicht mehr so gegeben ist". Insofern mache Deutschland einen "Nachholeprozess" durch, "der unsere Gesellschaft auch erschüttert, aber es geht schon".

In welcher Sprache schreiben sich die Minister Textnachrichten? Sie schauen sich an. Textnachrichten?

Danach wird es gemütlich. Schäuble erzählt, dass Sapin viel besser französisch spreche als er. Ein Blick zur Seite - ist der Witz verstanden? Sapin hat. Sein Deutsch sei viel schlechter als das Schäubles. Wieder Schäuble: "In Englisch bin ich entsetzlich". Sapin hält dagegen: Er habe Russisch, Latein und Griechisch gelernt. Und in welcher Sprache schreiben sich die Minister Textnachrichten?

Sapin und Schäuble schauen sich an. Textnachrichten? Auch, ja, auch. Aber, sagt Sapin mit der echten Empörung eines Mannes, der definitiv nicht zur digitalen Generation gehört. "Wichtiges tausche ich doch nicht über Textnachrichten aus."

© SZ vom 22.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: