"Buchhalter von Auschwitz":Oskar Gröning ist tot

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Sein Fall erregte auch international Aufsehen: Oskar Gröning, geboren 1921, wurde 2015 zu vier Jahren Haft verurteilt. Das Gericht befand den früheren SS-Mann der Beihilfe zum Mord in 300 000 Fällen für schuldig. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Der frühere SS-Mann war 2015 wegen Beihilfe am Massenmord im NS-Vernichtungslager Auschwitz verurteilt worden. Er stand vor seinem Haftantritt.

Der frühere SS-Mann Oskar Gröning ist tot. Er starb einem Medienbericht zufolge am vergangenen Freitag, 96-jährig, in einem Krankenhaus. Auf Nachfrage der Süddeutschen Zeitung sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Hannover am Montagabend, der Behörde liege ein Schreiben des Anwalts von Oskar Gröning vor, dass dieser gestorben sei. Allerdings fehle bisher eine Sterbeurkunde. Über Grönings Tod hatte am Montag zuerst Spiegel Online berichtet.

Gröning war 2015 vom Landgericht Lüneburg wegen Beihilfe zum Mord in 300 000 Fällen zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. In einem viel beachteten Prozess musste er sich wegen seiner Mitwirkung am Massenmord im Vernichtungslager Auschwitz verantworten, sein Fall nimmt in der Geschichte der gerichtlichen Aufarbeitung der NS-Verbrechen in den Konzentrationslagern eine herausragende Stellung ein. Das Landgericht Lüneburg hatte Gröning verurteilt, ohne ihm eine individuelle Tat nachweisen zu können. Seine Aufgabe in Auschwitz war es, Wertgegenstände der Häftlinge zu verwalten, eine Tätigkeit, die ihm in den Medien den Beinamen "Buchhalter von Auschwitz" einbrachte. Er habe die Morde gefördert, indem er Gepäck bewacht und das Geld der Gefangenen verwaltet habe, hieß es in dem Urteil, das seit September 2016 rechtskräftig ist. Bei der Strafansetzung habe das Gericht berücksichtigt, dass Gröning sich dem Verfahren gestellt und Reue gezeigt habe.

Der Bundesgerichtshof akzeptierte das Urteil des Landgerichts im September 2016. Auch Grönings Tätigkeiten in Auschwitz, begründeten die Richter, hätten zum Funktionieren der Vernichtungsmaschinerie beigetragen. Damit wurde erstmals eine Verurteilung wegen Beihilfe zum massenhaften Mord im NS-Vernichtungslager Auschwitz höchstrichterlich bestätigt.

Gröning stand zuletzt vor seinem Haftantritt - allerdings war die niedersächsische Justizministerin Barbara Havliza (CDU) gerade dabei, über ein Gnadengesuch von ihm zu entscheiden. Gröning hatte wegen seines hohen Alters im vergangenen Jahr bereits eine Verfassungsbeschwerde gegen seine Haftstrafe eingereicht, die das Bundesverfassungsgericht ablehnte. Als Reaktion auf die Nachricht von Grönings Tod sagte der Anwalt Thomas Walther am Montagabend der Deutschen Presse-Agentur, der Schuldspruch gegen Gröning bestehe "über die Grenzen des Lebens hinaus". Walther hatte in Lüneburg Auschwitz-Überlebende als Nebenkläger vertreten. Diesen sei "stets die Feststellung der verantwortlichen Schuld am Tod ihrer Familien in Auschwitz wichtig" gewesen. "Eigenes Sterben und der Tod Grönings ändern daran nichts."

© SZ vom 13.03.2018 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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