Bombenexplosion in Ansbach:Erster Selbstmordanschlag in Deutschland

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Die Polizei findet beim Täter ein Video: Darin kündet er einen Racheakt gegen Deutsche an und beruft sich auf den IS.

In Deutschland hat sich offenbar der erste islamistisch motivierte Selbstmordanschlag ereignet. Der Attentäter von Ansbach, der sich am Sonntagabend am Rande eines Musikfestes in die Luft sprengte, bei dem mehr als 2000 Besucher waren, hat den Deutschen vor seinem Tod in einem Video mit einem Anschlag gedroht, weil sie sich dem Islam in den Weg stellten. Der Mann habe in dem Video seine "Zugehörigkeit" zum Anführer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), Abu Bakr al-Bagdadi, bekannt und von einem Racheakt gegen Deutsche gesprochen als Vergeltung für das Töten von Muslimen. Das Video war nach Angaben von Bayerns Innenministers Joachim Herrmann auf dem Handy des Mannes gefunden worden, der bei dem Attentat in der Innenstadt von Ansbach 15 Menschen verletzte, vier von ihnen schwer. Der IS bezeichnete den Attentäter am Montag über seine Agentur Amaq als einen seiner "Soldaten". Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe hat die Ermittlungen übernommen.

Es bestehe der Verdacht, dass Mohammad D. die Tat als Mitglied des IS begangen habe, erklärte eine Sprecherin. Nun müsse geklärt werden, ob es Tatbeteiligte oder Hintermänner der Tat gebe. Die Bundesanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer ausländischen Terror-Vereinigung und versuchten Mordes.

Es deutet einiges darauf hin, dass der 27 Jahre alte Syrer Mohammad D. Hintermänner hatte. Kurz ehe er den Rucksack mit der Bombe zündete, telefonierte er intensiv mit seinem Handy, so berichteten Zeugen. Die Polizei fand bei ihm zwei Mobiltelefone, mit mehreren Sim-Karten, dazu ein Laptop. Außerdem hatte er nach Polizei-Erkenntnissen sechs Facebook-Accounts, mindestens einen davon unter falschem Namen. Darauf wurden ebenfalls islamistische Inhalte gefunden. Und der Mann hatte eine Menge Geld bei sich: eine Rolle mit 50-Euro-Scheinen. Herrmann sagte, es sei "wohl unzweifelhaft, dass es sich um einen Terroranschlag mit islamistischer Überzeugung handelt".

Tatort Ansbach: Polizisten vor dem Lokal in der mittelfränkischen Stadt, vor dem am Sonntagabend der Sprengsatz explodierte. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Gleichzeitig bestätigte Bundesinnenminister Thomas de Maizière in Berlin, der Attentäter habe zwei Suizidversuche hinter sich und sei deshalb in psychiatrischer Behandlung gewesen. Er sagte: "Wir wissen, dass labile Menschen besonders anfällig für Radikalisierung sind." Sicherheitsexperten ist seit einiger Zeit bewusst, dass vor allem der IS immer wieder labile oder verwirrte Menschen anspricht, um sie als Selbstmordattentäter zu verheizen. Erst vergangenes Jahr wurde ein geistig behinderter junger Mann aus Freiburg nach Syrien gebracht und sprengte sich als "Abu Mohammed al-Almani" in die Luft. Der Mann stand unter Betreuung - genauso wie der Attentäter von Ansbach. Der Ansbacher Oberstaatsanwalt Michael Schrotberger sagte, der Mann sei aus der nordsyrischen Stadt Aleppo gekommen, es müsse geprüft werden, ob er wusste, wie man Bomben baut. In der Bombe befanden sich sehr viele Metallteile. Innenminister Herrmann erklärte, sie sei so konstruiert gewesen, dass sie möglichst viele Menschen verletzen oder töten sollte. Es sei ein "eher glücklicher Umstand", dass keine weiteren Menschen zu Tode gekommen seien. Das Zimmer des Mannes in einem Flüchtlingsheim in Ansbach wurde durchsucht. Dort fand sich eine Fülle von Material für weitere Sprengsätze: Benzinkanister, Salzsäure, Lötkolben. Unklar ist bisher, ob er Helfer hatte.

Bundesinnenminister de Maizière rief zu Besonnenheit auf. Die Deutschen sollten ihr freiheitliches Leben weiterleben und ihr Verhalten nicht ändern.

Mohammad D. war vor zwei Jahren nach Deutschland gekommen. Sein Asylantrag war abgelehnt worden, weil er schon in Bulgarien Flüchtlingsschutz erhalten hatte. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) ordnete im Dezember 2014 die Abschiebung an. Bulgarien hatte die Rücknahme auch zugesichert. Nur: Dazu kam es nicht. Wegen seines labilenGesundheitszustands durte Mohammad D. zunächst bleiben. Seit Februar 2015 lebte er legal mit einer Duldung in Deutschland. Im März dieses Jahres bat die Ausländerbehörde in Ansbach das Bamf, nochmals zu prüfen, ob man den Mann nicht doch nach Bulgarien abschieben könnte. Ergebnis: Am 13. Juli, also vor zwei Wochen, forderte das Amt Mohammad D. auf, binnen 30 Tagen auszureisen, und drohte erneut an, ihn abschieben zu lassen.

Der Täter transportierte die Bombe mit Metallteilen in einem Rucksack. (Foto: Daniel Karmann/AFP)

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sprach von "Tagen des Schreckens". Innerhalb einer Woche haben sich drei Gewalttaten in Bayern ereignet: Der Messerangriff von Würzburg, der Amoklauf von München und das Selbstmordattentat von Ansbach. Seehofer kündigte umfassende rechtliche und politische Konsequenzen an, alles werde auf den Prüfstand gestellt. Vor allem fordert er eine nachträgliche Überprüfung von bereits eingereisten Flüchtlingen: "Wir müssen wissen, wer im Land ist", sagte Seehofer der Süddeutschen Zeitung. Gleichzeitig machte er deutlich, dass die CSU auch darüber nachdenke, sich einer europaweiten Verschärfung des Waffenrechts nicht mehr in den Weg zu stellen.

© SZ vom 26.07.2016 / rabe, jbb, kaa, wiw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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