Börsen:Zu heiß für Spekulanten

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Am Tag nach der Entscheidung sind die Börsen erstaunlich ruhig. Bisher hat die EZB verhindert, dass auf Italiens Pleite gewettet wird.

Von Markus Zydra

Die globalen Finanzmärkte haben in den vergangenen Monaten gelernt, mit politischen Turbulenzen umzugehen. Nach der Entscheidung der Briten, die EU zu verlassen, vergingen einige unruhige Tage, bis sich die Panik an den Börsen gelegt hatte. Nach der überraschenden Wahl von Donald Trump zum künftigen US-Präsidenten vergingen nur noch einige Stunden, dann stiegen die Aktienpreise. Das Votum der Italiener verdauten die abgehärteten Geldmanager am Montag binnen weniger Minuten. Dann legte der Euro im Devisenhandel gegen den US-Dollar zu, und die Aktienkurse stiegen. Sogar die Börse in Mailand verzeichnete am Vormittag ein Plus.

Italien, ein Euro-Land mit hohen Staatsschulden, klammen Banken und einer desolaten Wirtschaft, steht politisch still. Doch den Börsen scheint dies einerlei zu sein, für den Augenblick zumindest. Die Gelassenheit an den Finanzmärkten hat zwei Gründe. Zum einen war das Ergebnis des Referendums in Italien erwartet worden. Börsenakteure reagieren oft panisch, wenn etwas Unerwartetes geschieht. Zum anderen wissen alle Finanzmarktprofis, dass die Europäische Zentralbank (EZB) im Ernstfall alles tun würde, um den Kollaps der italienischen Finanzwirtschaft und damit der Euro-Zone zu verhindern.

Das Versprechen von EZB-Präsident Mario Draghi steht seit seiner Londoner Rede vom Sommer 2012 wie eine Betonwand im Handelsraum der Spekulanten. Niemand hat es seitdem gewagt, auf eine Pleite Italiens zu wetten. Die EZB kann im Zweifel unbegrenzt frisches Geld drucken, um den Spekulanten empfindliche Verluste zu bescheren. Der EZB-Rat dürfte dieses klare Signal am Donnerstag untermauern und eine Verlängerung des eigentlich im März 2017 endenden Anleihekaufprogramms beschließen. Die EZB hat seit Frühjahr 2015 bereits 1,3 Billionen Euro ins Finanzsystem gegeben. Die EZB kauft jeden Monat Staatsanleihen im Wert von 80 Milliarden Euro, darunter auch italienische. So drückt die Notenbank die Kreditzinsen. Italiens Regierung kann sich dadurch am Markt weiter sehr günstig Geld leihen, obwohl die Schuldenlast des Landes mit 135 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gefährlich hoch ist. Ohne den Schutzschirm der EZB läge der Kreditzins für den italienischen Staat sehr viel höher. Das könnte sich das Land nicht lange leisten.

Die Banken leiden an faulen Krediten über 360 Milliarden

Die italienische Übergangsregierung könnte bald einige Milliarden Euro brauchen, um den heimischen Bankensektor zu retten. Derzeit ist der Rettungsplan für die Krisenbank Monte dei Paschi in Gefahr. Das Institut braucht bis zum Monatsende fünf Milliarden Euro. Ob sich nach dem Nein-Votum noch private Geldgeber finden lassen, ist ungewiss. Der italienische Staat muss dann womöglich einspringen, um die Bank zu retten. Eine Pleite von Monte dei Pasci ginge zulasten vieler Kleinsparer. Die italienischen Banken leiden unter faulen Krediten im Wert von 360 Milliarden Euro. Diese Belastung hemmt die Kreditvergabe an die italienische Wirtschaft. Dabei hat die EZB den Leitzins schon auf null Prozent gesenkt, also das Geld billig gemacht.

Mittlerweile diskutiert auch die EZB, ob die lockere Geldpolitik mehr schadet, als sie nützt. Banken und Sparer ächzen unter dem Nullzins. Das billige Geld fließt an die überhitzten Aktien- und Immobilienmärkte. Der Schutzschirm der EZB hat einen hohen Preis.

© SZ vom 06.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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