BND-Prozess:Nur "leichte Besonderheiten"

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Erst belieferte Markus R. die CIA. Dann diente er sich auch noch dem russischen Generalkonsulat in München an. Der Gerichtspsychiater erklärt nun: Er wusste stets, was er tat.

Von Hans Holzhaider

München - Wie groß der Schaden für die Bundesrepublik Deutschland tatsächlich ist, den Markus R., 32, angerichtet hat, wird man, wenn überhaupt, erst bei den Plädoyers der Bundesanwaltschaft erfahren. Von 2008 bis 2014 hat Markus R. seine Stellung beim Bundesnachrichtendienst (BND) in Pullach dafür ausgenützt, dem amerikanischen Geheimdienst vertrauliche und geheime Dokumente zu übermitteln. Zwei Tage lang hat ein Historiker des Landeskriminalamts dem Oberlandesgericht München unter Ausschluss der Öffentlichkeit erläutert, ob, und wenn ja, in welchem Ausmaß jedes einzelne dieser Dokumente die Sicherheit der Bundesrepublik beeinträchtigt hat. Dass er um die Strafbarkeit seines Handelns wusste, hat Markus R. nie bestritten. Am Montag bestätigte Gerichtspsychiater Henning Saß, was Prozessbeteiligte längst wussten: Markus R. leidet zwar unter geringfügigen körperlichen Behinderungen, aber an seiner vollen Schuldfähigkeit besteht kein Zweifel.

Im Kleinkindalter musste R. lange Zeit im Krankenhaus verbringen; die Diagnose ist heute nicht mehr nachvollziehbar - eine fiebrige Erkrankung, vielleicht auch ein Impfschaden. Jedenfalls sei er "gut und kompetent behandelt worden", sagte Saß, und die leichten Sprach- und Bewegungsstörungen, die zurückblieben, träten im Alltag kaum in Erscheinung. "Er entwickelte sich zu einem etwas scheuen, gehemmten, einzelgängerischen Jungen", sagte der Gutachter. Möglicherweise habe sich aus dieser Disposition eine gewisse Sehnsucht nach Abenteuer und Nervenkitzel entwickelt. Aber das seien "leichte Besonderheiten", die "nirgends in die Nähe von krankhaften Störungen" kämen. R. sei durchschnittlich intelligent, "leistungsfähig und übersichtsfähig", auch wenn er sich "als etwas naiv und unbedarft ausgibt".

Erst belieferte er die CIA. Dann schrieb er auch den Russen

Markus R. hatte in der Verhandlung berichtet, er habe sich beim BND unterschätzt und unterfordert gefühlt und habe dann, um einmal etwas Spannenderes zu erleben, eine Mail an die amerikanische Botschaft in Berlin geschickt und seine Dienste als Spion angeboten. Daraufhin habe ein CIA-Mitarbeiter Kontakt zu ihm aufgenommen, dem er in der Folge regelmäßig Dokumente übermittelt habe, die er während seiner Dienstzeit kopiert und mit nach Hause genommen habe. Unter den Dokumenten war auch eine Liste mit Klar- und Decknamen von etwa 3000 BND-Mitarbeitern. Mehrmals habe er sich auch in Österreich mit einem CIA-Agenten getroffen. Insgesamt soll R. für seine Tätigkeit einen Lohn von mehr als 80 000 Euro erhalten haben. Seine Spionage flog erst auf, als er im Frühjahr 2014 eine Mail an das russische Generalkonsulat in München schickte und dort ebenfalls seine Dienste anbot.

Voraussichtlich am 2. März wird die Bundesanwaltschaft mit ihrem Plädoyer beginnen, zum Teil unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Das Urteil wird für den 17. März erwartet.

© SZ vom 23.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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