BND-Bespitzelungsaffäre:"Ich finde das erschütternd"

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FDP-Innenexperte Max Stadler hat die BND-Spitzelaktion gegen Journalisten eigentlich für erledigt gehalten. Jetzt wurde er eines Schlechteren belehrt, sagt er. Und schließt auch personelle Konsequenzen nicht aus.

Thorsten Denkler, Berlin

sueddeutsche.de: Herr Stadler, erst wird die Bespitzelung einer Spiegel-Redakteurin durch den BND bekannt, jetzt ist auch der ehemalige ZDF-Korrespondent Ulrich Tilgner betroffen. Wie bewerten Sie die Abhörpraxis des BND?

FDP-Abgeordneter Max Stadler (Foto: Foto: dpa)

Max Stadler: Ich finde das geradezu erschütternd. Vor allem nach der Vorlage des Schäfer-Berichts 2006 dachte ich, die Sache wäre ein für allemal geklärt. In dem Bericht wurde ganz klar festgestellt, dass die Bespitzelung von Journalisten, die es in der Vergangenheit gegeben hat, rechtswidrig war. Wir wurden eines Schlechteren belehrt.

sueddeutsche.de: Zwei neue Fälle kurz hintereinander. Hätten Sie damit gerechnet?

Stadler: Es scheint so zu sein, dass nicht Herr Tilgner selber überwacht wurde, sondern im Zuge anderer Ermittlungen ins Visier des BND geraten ist. Trotzdem: Das Verhalten des BND beunruhigt in höchstem Maße. Unsere Grundrechte gelten für Deutsche selbstverständlich auch im Ausland. Das gilt auch für die Kommunikation ins Ausland. Das weiß auch die Bundesregierung, das weiß die Spitze des BND. Ich frage mich langsam, ob so ein Dienst von der politischen Führung überhaupt noch in den Griff zu bekommen ist.

sueddeutsche.de: Wie erklären Sie sich das Verhalten des BND?

Stadler: Für mich ist das Ganze im Moment noch völlig unerklärbar. Beim BND muss auch dem Pförtner und dem Chauffeur des Präsidenten klar sein, dass Eingriffe in die Pressefreiheit unzulässig sind. Solche Vorgänge müssen selbstverständlich sofort der Spitze des Hauses vorgelegt werden, damit sie entsprechend bewertet und gestoppt werden können.

sueddeutsche.de: Welche Folgen muss die Affäre jetzt für den BND haben?

Stadler: Die Verantwortung für die Tätigkeit der Nachrichtendienste liegt im Bundeskanzleramt. Deshalb ist die Bundesregierung gefordert. Wir brauchen ein umfassendes Reformkonzept. Dazu gehört auch eine Verbesserung der parlamentarischen Kontrolle. Der FDP-Entwurf dazu liegt seit zwei Jahren vor. Es ist an der Zeit, dass die Koalition das Thema jetzt endlich anpackt.

sueddeutsche.de: Sind nicht langsam auch personelle Konsequenzen fällig?

Stadler: Über personelle Konsequenzen wird zu reden sein. Allerdings aus Sicht der Parlamentarier erst, wenn die Untersuchungen abgeschlossen sind.

sueddeutsche.de: Bedeutet das für BND-Präsident Ernst Uhrlau, dass er vielleicht doch noch seinen Hut nehmen muss?

Stadler: Es geht mir nicht in erster Linie um Herrn Uhrlau. Wir müssen für den BND eine Struktur aufbauen, die ausschließt, dass so etwas vorkommt.

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