BKA-Gesetz:Freiheit in Brezenform

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Die Sicherheitsgesetze stärken den inneren Frieden nicht, sie gefährden ihn. Die sich abzeichnende Ablehnung durch den Bundesrat bietet eine Chance: die Chance der Besinnung.

Heribert Prantl

Als vor 15 Jahren der neue Münchner Flughafen eingeweiht wurde, ging der damalige Ministerpräsident Max Streibl mit den Journalisten stolz und beseelt durch die großen Hallen. Alles war blitzblank, weitläufig, weltläufig und edel; am Boden glänzte der polierte Granit, an den Wänden prangte moderne Kunst, aus den Lautsprechern klangen die Weltsprachen.

Die Durchsuchung privater Computer ist nur eine Facette des BKA-Gesetzes. (Foto: Foto: ddp)

Als die Besichtigung nach zwei Stunden zu Ende war, fragte ein Journalist den Ministerpräsidenten, ob er in all dieser Pracht und Herrlichkeit etwas vermisse.

Der Ministerpräsident stutzte kurz und sagte dann: "Es ist alles wunderbar, nur: Wenn man hier ankommt, merkt man doch gar nicht, dass man in München ist. Es könnte sich genauso um den neuen Flughafen in Paris oder in Melbourne handeln. Woran soll man denn hier erkennen, dass man in München gelandet ist?"

Ein Kollege schlug ihm daraufhin vor, man könne doch die nächste Landebahn "in Brezenform" errichten.

Das Gelächter war groß. Man könnte diese Geschichte wohl so ähnlich über fast jeden Flughafen erzählen. Wenn man dieser Geschichte nachhört, dann klingt hinter der Lustigkeit der Begebenheit und der vermeintlichen Provinzialität des Politikers etwas sehr Ernsthaftes, Wichtiges, Grundsätzliches. Diese Geschichte führt uns nämlich zu einer Frage, die für einen freiheitlichen Rechts- und Sozialstaat noch viel, viel wichtiger ist als für einen Flughafen, nämlich: Was ist das Kostbare an dem Staat, den das Grundgesetz, das Bundesverfassungsgericht und die Zivilcourage seiner Bürgerinnen und Bürger geschaffen haben?

Es ist ein ausgeprägtes Freiheitsbewusstsein, es ist ein Stolz auf die Bürgerrechte, es ist das Bewusstsein, Heimat zu haben in einem Staat, der den festen Willen hat, all das zu verteidigen.

Dieses Gefühl schwindet. Es schwindet, weil der Staat die Freiheitsrechte immer weniger achtet. Sicherheit wird immer größer, Freiheit immer kleiner geschrieben. Der Staat und viele seiner Organe, der Staat und ein Teil seiner Gewalten, haben den Stolz auf die Grund- und Freiheitsrechte verloren - und an ihre Stelle das Vorurteil gesetzt, man müsse diese kleiner machen, um mehr Sicherheit willen. Und so kommt es, dass das grundrechtliche Fundament unseres Gemeinwesens, dass das Sichergeglaubte, nicht mehr sicher ist.

Ein solcher Befund gilt neuerdings als Alarmismus. Ausgerechnet diejenigen, die alle paar Wochen mit immer neuen Warnungen vor einer steigenden "abstrakten Terror-Gefahr" die Zustimmung zu immer neuen Sicherheitsgesetzen erheischen, ausgerechnet diejenigen also, für die der Alarmismus seit dem 11. September 2001 zu ihrem Persönlichkeitsmerkmal geworden ist, ausgerechnet diejenigen bezeichnen besorgte Bürgerrechtler als Alarmisten, wenn diese vor der neuen Sicherheitspolitik warnen. Das muss man ertragen.

Die sich abzeichnende Ablehnung des BKA-Gesetzes durch den Bundesrat bietet eine Chance: Die Chance der Besinnung. Das BKA-Gesetz erlaubt den Spähangriff, also das heimliche Filmen der Polizei in Privatwohnungen, es erlaubt die heimliche Online-Durchsuchung privater Computer und viele andere Heimlichkeiten mehr - ohne das die Voraussetzungen so klar und so anspruchsvoll formuliert werden, wie es bei Grundrechtseingriffen von dieser Schwere und Tiefe geboten wäre.

Nicht einmal der Richtervorbehalt wird so umgesetzt, wie dies vom Bundesverfassungsgericht vorgeschrieben wurde. Die Privat- und Intimsphäre, deren Achtung dem höchsten Gericht so wichtig ist, wird von den neuen Sicherheitsgesetzen beiseite geschoben.

Es geht also um die Besinnung darauf, was in den Gründungsurkunden dieses Staates steht: "Der Staat ist um des Menschen willen da, nicht der Mensch um des Staates willen".

Eine Gesetzgebung, die den Bürger mit Spähangriffen, Lauschangriffen, Computer-Durchsuchungen schreckt, eine Gesetzgebung, welche die Zeugnisverweigerungsrechte und das Berufsgeheimnis nicht mehr achtet, hat das vergessen. Es ist Zeit, sich daran zu erinnern: Gesetze müssen Freiheit sichern, nicht einschränken. Sicherheitsgesetze, die das nicht mehr wissen, schaden der inneren Sicherheit mehr, als sie ihr nützen.

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