BKA-Gesetz:Auf Biegen und Brechen

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Der angebliche Kompromiss zum BKA-Gesetz ist kein Kompromiss, sondern ein Witz. Witze sollte man aber nicht machen, wenn es um die Balance von Freiheit und Sicherheit geht.

Heribert Prantl

Von zwölf schweren Bedenken gegen das BKA-Gesetz hat eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe angeblich drei ausgeräumt. In Wahrheit ist es nur eines: Auch in Eilfällen soll nun der Richter die Online-Durchsuchung anordnen müssen, eine Anordnung durch den Chef des Bundeskriminalamts, wie ursprünglich geplant, reicht nicht.

Transparent des Arbeitskreises gegen Vorratsdatenspeicherung, das Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble als "Big Brother" zeigt. (Foto: Foto: AP)

Das ist mehr als nichts, genügt aber hinten und vorne nicht. Die beiden anderen angeblichen Kompromisspunkte sind nur Varianten der bisherigen Unzulänglichkeiten: Es gibt, anders als behauptet, keine bessere Abgrenzung der Kompetenzen von Bundeskriminalamt und Landeskriminalämtern. Und der Kernbereich der Person, der unantastbar bleiben muss, bleibt bei der Online-Durchsuchung sehr antastbar.

Am rechtsstaatlich völlig unzulänglichen Paragrafen 20 k des BKA-Gesetzes wurden offenbar keinerlei Änderungen vorgenommen. Das bedeutet: Es gibt praktisch keine Fälle, bei denen auf eine Online-Durchsuchung von vornherein verzichtet werden muss. Wenn aber der Griff in den Computer künftig zu schnell und zu leicht möglich ist, dann hilft es wenig, wenn das Abgegriffene anschließend gut kontrolliert wird. Grundrechtsverletzung bleibt Grundrechtsverletzung.

Auch nach dem Kompromiss bleibt es dabei, dass an vergleichbare Grundrechtseingriffe (Online-Durchsuchung, Lauschangriff, Spähangriff , Telefonüberwachung) sehr unterschiedliche Voraussetzungen gestellt werden: Einmal muss eine "konkrete", ein andermal eine "dringende" Gefahr vorliegen; einmal genügt die Gefährdung von "Sachen von bedeutendem Wert", dann wieder müssen der "Bestand des Staates" oder "die Grundlagen der Existenz des Menschen" berührt sein. Das ist nicht nur ein Verstoß gegen den Geist der Karlsruher Urteile, sondern auch gesetzestechnischer Murks.

Es bleibt bei einer langen Liste von rechtsstaatlichen Verstößen: Es bleibt dabei, dass das Zeugnisverweigerungsrecht von Anwälten, Ärzten und Journalisten beiseite geräumt wird. Nur Abgeordnete, Geistliche und Strafverteidiger bleiben gegen Ausspähung leidlich geschützt. Es bleibt dabei, dass eine Rundumüberwachung mit den geballten heimlichen Ermittlungsmethoden ohne weiteres möglich ist.

Es bleibt dabei, dass der Begriff "internationaler Terrorismus" zwar der Generalschlüssel für das BKA ist, aber nicht definiert wird. Es bleibt dabei, dass es keinen Versuch gibt, einen Rechtsschutz gegen heimliche Grundrechtseingriffe zu organisieren. Und es bleibt schließlich bei einer viel zu langen Erprobungszeit für das Gesetz - bis 2020! In der vorliegenden Fassung darf es nicht einmal sechs Tage in Probe gehen.

Die Koalition will das BKA-Gesetz auf Biegen und Brechen durchsetzen. Die Länder, die im Bundesrat ihre Bedenken klug vorgetragen haben, können auf diesen Friß-oder-Stirb-Kompromiss nicht eingehen.

© SZ vom 4.12.2008/bosw/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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