Bilanz:Ordner des Arbeitsmarkts

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Der deutsche Zoll kontrollierte im vergangenen Jahr zunehmend Betriebe wegen Schwarzarbeit. Dafür will die große Koalition sogar neue Fahnder einstellen lassen. Aber nicht genug, sagt die Gewerkschaft.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Es ist ja selten, dass der deutsche Bundesfinanzminister eine richtige Show abziehen lässt; mit Einspieler, Talkmaster, Gästen und Auditorium. Nur ein Anlass ist ihm den Aufwand wert - die jährliche Würdigung des Zolls, der ihm Geld und Prestige einbringt. An diesem Dienstag waren sie wieder zu besichtigen, die Fahndungserfolge: Pillen, Rauschgift, Karabiner, Munition, Elektroschocker, Handfeuerwaffen, gefakte Plüschtiere und andere Dinge, die Zollbeamte 2017 sicherstellten. Nicht nur für die Sicherheit, auch für den Staatshaushalt war der Zoll erneut nicht zu unterschätzen. Er nahm im vergangenen Jahr 130 Milliarden Euro an Steuern und Zöllen ein, das sind 40 Prozent der Steuereinnahmen des Bundes.

Im vergangenen Jahr hatten es die Fahnder besonders auf Schwarzarbeiter abgesehen. Sie kontrollierten öfter und mehr Betriebe als üblich. Insgesamt prüften sie 52 000 Arbeitgeber, daraus ergaben sich fast 108 000 strafrechtliche Verfahren sowie 49 000 Verfahren wegen diverser Ordnungswidrigkeiten. Die Schadenssumme stieg von 813 Millionen Euro im Jahr 2016 auf fast eine Milliarde Euro. Die Ermittler registrierten zudem mehr als 2500 Verstöße gegen den Mindestlohn, das waren ungefähr 850 mehr als im Vorjahreszeitraum. Finanzminister Olaf Scholz betonte, neben den Einnahmen für den Haushalt sei es auch wichtig, dass der Zoll für Ordnung auf dem Arbeitsmarkt sorge.

Mit Razzien gegen Mindestlohn-Verstöße sorgen die Zollfahnder laut Finanzminister Olaf Scholz auch für Ordnung auf dem Arbeitsmarkt. (Foto: Boris Roessler/dpa)

Gleich zu Beginn hatte der Showmaster einen extra gedrehten Einspieler präsentiert, bei dem Zollbeamte zu sehen waren, wie sie dunkle Schiffsgänge mit der Taschenlampe ausleuchten oder auf der Autobahn mit "Zoll - bitte folgen" tatverdächtige Schmuggler stoppen. So abenteuerlich geht es allerdings eher selten zu. Der Alltag der deutschen Zöllner ist hart, auch, weil die Aufgaben schneller mehr werden als das Personal. Unter anderem bereitet sich der Zoll bereits darauf vor, von 2020 an, wenn der Abschied Großbritanniens aus der Europäischen Union vollzogen werden soll, wieder entsprechende Zollkontrollen durchzuführen. Scholz kündigte in seiner Dankesrede denn auch eine "personelle Verstärkung in den nächsten Jahren" an. Sein Vorgänger Wolfgang Schäuble hatte bereits zugesagt, bis 2022 1600 neue Planstellen zu schaffen. An diesem Plan soll festgehalten werden, womöglich soll das Personal schon früher eingestellt werden. Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD ebenfalls vereinbart, die Zahl der Zollfahnder zu erhöhen. Die Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft schätzt, dass bundesweit 3500 Stellen fehlen. Insgesamt arbeiten beim Zoll rund 40 000 Mitarbeiter, oberster Dienstherr ist der Bundesfinanzminister.

Einen Rekord vermeldete Scholz auch beim Rauschgiftschmuggel. Die Fahnder beschlagnahmten bei Drogenkontrollen mehr als sieben Tonnen Kokain, das ist fast die fünffache Menge des Vorjahres. Pikantes Detail am Rande war freilich, dass ein großer Teil des Kokains im Hafen Hamburgs sichergestellt wurde - wo Scholz bis vor Kurzem noch Erster Bürgermeister war. Zusätzlich fanden die Kontrolleure zehn Tonnen anderer Rauschgifte, vor allem Marihuana und Amphetamine. Deutlich rückläufig war dagegen der Schmuggel von Zigaretten und Haschisch.

Viel mehr geschmuggelt wurden allerdings gefälschte Waren, vor allem aus Hongkong und China. Scholz zufolge werden diese Waren zunehmend über Online-Händler verkauft. Das Bundesfinanzministerium will dagegen gesetzlich vorgehen. Insgesamt beschlagnahmten die Beamten 3,3 Millionen Fälschungen im Wert von fast 200 Millionen Euro. Besonders häufig werden Bekleidung, Schuhe, Handtaschen, Sonnenbrillen oder Schmuck illegal über die Grenze gebracht. Und genau diese Beute durften die Zuhörer nach der Show in Augenschein nehmen.

© SZ vom 18.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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