Bezahlung von Frauen:Jetzt aber ran

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Das Gesetz für Lohngerechtigkeit wird keine Wunder bewirken. Und für seinen Erfolg wird später jede einzelne Arbeitnehmerin verantwortlich sein. Sie muss aufstehen in Büro und Labor, wenn sie das Gehaltsgefüge erkunden will - oder aufhören, sich zu beschweren.

Von Constanze von Bullion

Es gibt vermutlich keinen einzigen Arbeitgeber in Deutschland, der zugibt, dass er Frauen benachteiligt. Und jeder Vorgesetzte wäre beleidigt, würde man ihn einen Frauenschinder nennen hinsichtlich der Bezahlung. Für gleichwertige Arbeit gibt es gleiches Geld, na selbstverständlich. Das kriegen Arbeitnehmerinnen in den Chefetagen großer Konzerne zu hören, in der Spenglerei, im Verlag, in der Pommesbude. Melden sie Zweifel an, ob sie gerecht bezahlt werden, weht der Wind schon gern mal etwas kälter. Viele Frauen stellen das Bohren dann schleunigst ein. Denn belegen kann bislang kaum eine, ob die Männer im Betrieb besser bezahlt werden, obwohl viele doch gar nichts Besseres leisten.

Das soll sich jetzt ändern, das Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit kommt, endlich. Wenn in einer führenden Industrienation wie Deutschland weibliche Arbeitskräfte sieben bis 21 Prozent weniger verdienen als männliche, wenn so viele Frauen nicht rauskommen aus Teilzeitfallen und so wenige rein in Chefsessel, dann stehen Frauen am Ende ihres Lebens nicht nur mit deutlich trostloseren Renten da als männliche Kollegen. Dann stimmt auch was nicht im Land, etwas Großes.

Deutschland gehört zu den Spitzenreitern der Lohnungleichheit in Europa, seit Jahren. Gestört hat sich daran kein Arbeitgeber und leider auch sonst kaum ein Mann. Es ist also kein Zufall, dass zwei Frauen, ostdeutsche, jetzt dafür sorgen, dass Unruhe am Arbeitsplatz aufkommt. Angela Merkel, die ja gern so tut, als sei sie gar keine Frau, jedenfalls keine Frauenrechtlerin, hat im Verein mit Familienministerin Manuela Schwesig im Koalitionsgipfel eine Einigung über das Lohngerechtigkeitsgesetz herbeigeführt, von dem viele hofften, es werde in der Tonne landen.

Und natürlich sind sie jetzt empört, die Vertreter der Wirtschaft, auch in der CDU, die vor Missgunst warnen. Stimmt, meine Herren, die Frauen sind neidisch auf Ihre hübschen Verdienste, weshalb sie sich bei gleicher Leistung jetzt auch die gleichen Gehälter holen sollten, plus Boni und Dienstwagen, versteht sich. Unsachlich? Keineswegs, so ist es vorgesehen. Alle Extras vom Chef werden beim Einkommen mitgezählt. Und das Gesetz hätte gern noch schärfer greifen dürfen.

Nur Beschäftigte in Betrieben mit mehr als 200 Mitarbeitern sollen das Recht kriegen, herauszufinden, was Kollegen des anderen Geschlechts durchschnittlich verdienen. Das ist ein Webfehler. Gerade in kleinen Betrieben arbeiten überdurchschnittlich viele Frauen zu unterdurchschnittlichen Konditionen. Es droht auch keine Sanktion, wenn ein Arbeitgeber eine nachgewiesene Ungerechtigkeit nicht behebt. Beschäftigte müssen dann klagen - nichts für zarte Gemüter. Die Prüfpflicht, ob Lohngerechtigkeit herrscht, kommt nicht. Und dann sind da noch die Betriebsräte, die in vielen Firmen den Lohn-Check durchsetzen sollen. Bislang gelten sie, na ja, nicht eben als Speerspitze des Feminismus. Aber der Mensch kann ja wachsen an seinen Aufgaben.

Es werden also keine Wunder geschehen, und auch künftig bleiben Berufswahl und Babypausen wichtige Faktoren beim Einkommen. Das Gesetz aber muss jetzt zügig in Kraft treten, und für seinen Erfolg sind vor allem die Frauen selbst verantwortlich: die Parlamentarierinnen, die fraktionsübergreifend agieren sollten, damit das Vorhaben nicht zerpflückt wird - und die gemeine Arbeitnehmerin, die aufstehen muss in Büro und Labor, wenn sie das Gehaltsgefüge erkunden will. Das kann schon mal zu Ärger führen, klar. Aber wer nicht unbequem werden mag, darf sich ab jetzt nicht mehr beschweren.

© SZ vom 08.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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