Besetzte Sendezentrale geräumt:Griechische Polizei stürmt Sitz des ehemaligem Staatsrundfunks

Lesezeit: 2 min

Demonstranten beschimpfen die Polizeieinheiten, die das Gebäude sichern (Foto: REUTERS)

Wochenlang hielten Mitarbeiter des aufgelösten griechischen Staatsrundfunks ihren früheren Arbeitsplatz besetzt. Jetzt ließ die Regierung die Sendezentrale stürmen. Kritik an dem Vorgehen der Polizei kommt auch aus Deutschland.

Spezialeinheiten der griechischen Polizei haben das Gebäude des früheren Staatsrundfunks ERT gestürmt, das seit der Schließung des Senders vor fünf Monaten von Beschäftigten besetzt gehalten wurde. Die Polizei verschaffte sich am Donnerstag im Morgengrauen Zutritt zu dem Gebäude im Norden Athens, wie ein Reporter berichtete. Sämtliche Büros wurden geräumt und etwa 200 Besetzer auf die Straße gedrängt.

Die Räumungsaktion verlief ohne gewaltsame Zwischenfälle. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur ANA wurden vier ehemalige ERT-Beschäftigte festgenommen, sie wurden später aber wieder auf freien Fuß gesetzt. Vor dem Gebäude versammelten sich am Vormittag mehrere hundert Menschen, um gegen die Räumung zu protestieren. Es waren aber nicht ansatzweise so viele Demonstranten wie unmittelbar nach der Schließung von ERT-Fernsehen und -Radio vor fünf Monaten.

"Überfall auf die Pressefreiheit"

Protest gegen das Vorgehen der Polizei kam auch aus Deutschland: Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) verurteilte die "handstreichartige Aktion" als einen "Überfall auf die Pressefreiheit". DJV-Chef Michael Konken erklärte in Berlin: "Das Vorgehen der Staatsmacht gegen den Sender und seine Journalistinnen und Journalisten ist skandalös."

Der griechische Regierungssprecher Simos Kedikoglou verteidigte die Polizeiaktion gegen Kritik und begründete sie damit, dass "Recht durchgesetzt und die öffentliche Ordnung wieder hergestellt" worden seien. "Das ERT-Gebäude war illegal besetzt, was tägliche Verluste für den griechischen Staat bedeutete."

Kosten von 300 Millionen Euro

Die Regierung des konservativen Ministerpräsidenten Antonis Samaras hatte den hoch defizitären ERT aus finanziellen Gründen am 11. Juni in einer Nacht-und-Nebel-Aktion geschlossen und auf einen Schlag fast 2700 Mitarbeiter arbeitslos gemacht. Samaras begründete dies unter anderem damit, dass ERT jährlich 300 Millionen Euro koste und sich das unter massiven Spardruck stehende Griechenland dies nicht leisten könne.

Zudem war ERT immer wieder in den Verdacht von politischer Klüngelei und Misswirtschaft geraten. Die Entscheidung von Samaras löste wochenlange Proteste und Solidaritätsstreiks aus. Ehemalige ERT-Beschäftigte hielten den Sender seither besetzt und strahlten ein Notprogramm über das Internet aus. Im Streit um die Schließung war die Partei Demokratische Linke (Dimar) aus der Regierungskoalition ausgeschieden. Diese besteht heute nur noch aus Samaras' Nea Dimokratia (ND) und der sozialistischen Pasok-Bewegung.

Die Regierung will bis Ende des Jahres einen neuen nationalen Rundfunksender installieren. Der neue Radio- und Fernsehsender Nerit soll vollständig in Staatsbesitz sein, aber in Verwaltungs- und Finanzangelegenheiten über Unabhängigkeit verfügen. Dessen Aufsichtsratsvorsitzender Theodore Fortsakis hatte unlängst gesagt, dass er erst für März 2014 mit dem Start von Nerit rechne.

© süddeutsche.de/AFP/webe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: