Beschluss des Sicherheitskabinetts:Bundeswehr soll mit UN-Mandat nach Kundus

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Die Bundesregierung will mit der Entsendung von etwa 250 Soldaten nach Kundus ihr Engagement in Afghanistan ausweiten. Dafür strebt sie ein neues Mandat der Vereinten Nationen an. Außenminister Fischer verhandelt nun im Sicherheitsrat.

Von Nico Fried

(SZ vom 28. August 2003) Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte am Mittwoch, er halte ein verändertes Isaf-Mandat für notwendig und auch für erreichbar. Er machte deutlich, dass der Regierung an einer schnellen Entscheidung gelegen sei, um die Truppen-Stationierung noch vor dem Winter beginnen zu können. Die Opposition äußerte sich nach einer Unterrichtung durch Schröder zurückhaltend, sagte aber eine konstruktive Haltung zu.

In Kundus, einer Provinz-Hauptstadt im Norden Afghanistans, sollen die Soldaten den Wiederaufbau von Straßen, Schulen und Krankenhäusern durch zivile Helfer absichern.

"Ausdehnung ist sinnvoll, ja notwendig"

Der Bericht eines Erkundungsteams, das vergangene Woche in Kundus war, habe klar gemacht, dass zur Stabilisierung der Zentralregierung "die Ausdehnung sinnvoll, ja notwendig" sei, sagte Schröder nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts in Berlin. Sie sei unter dem Sicherheitsaspekt für die Soldaten auch "verantwortbar". Das Kabinett soll nächste Woche entscheiden, der Bundestag dann abstimmen, wenn Klarheit über das Mandat herrscht.

Die Aktivitäten der Operation Enduring Freedom und der Internationalen Schutztruppe für Afghanistan (Isaf) sollten weiterhin auseinander gehalten werden, sagte der Kanzler. Außenminister Joschka Fischer führe im UN-Sicherheitsrat Gespräche mit dem Ziel eines modifizierten Isaf-Mandates. Auch Vertreter aller Parteien im Bundestag wünschen ein verändertes Isaf-Mandat.

Mit der Operation Enduring Freedom bekämpfen die USA im Verbund mit zahlreichen Staaten, aber ohne direktes Mandat der UN den internationalen Terrorismus. Allerdings agieren auch die amerikanischen und britischen Wiederaufbauteams bisher im Rahmen von Enduring Freedom. Dagegen ist die Schutztruppe Isaf von den UN mandatiert und mit der Unterstützung des Aufbaus beauftragt, hat also eine stark zivile Komponente.

Verteidigungsminister Peter Struck und Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan machten deutlich, dass die Bundeswehr - anders als das bisher in Kundus stationierte US-Team - auch in der Region um die Stadt tätig werden soll. Über eine Unterstützung der deutschen Soldaten werden dem Vernehmen nach Gespräche unter anderem mit Österreich und den Niederlanden geführt.

BND bezeichnet Lage am Kundus als relativ sicher

Bei der Unterrichtung der Partei- und Fraktionschefs im Kanzleramt bezeichnete der Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND), August Hanning, die Lage in Kundus als "relativ sicher". Während sich im Süden und Südosten Afghanistans neue Taliban-Strukturen bildeten, sei die Lage im Norden weitgehend unter Kontrolle regionaler Machthaber, von denen viele auch in die Regierung in Kabul eingebunden seien.

Schröder betonte in der Runde die Verpflichtung des Westens, das Petersberg-Abkommen umzusetzen und das Versprechen einer Friedensdividende an die Afghanen einzulösen. Auf dem Petersberg bei Bonn war nach dem Afghanistan-Krieg der Zeitplan für die Demokratisierung des Landes beschlossen worden. 2004 sollen Wahlen stattfinden.

Kundus während des Krieges Hochburg der Taliban

CSU-Landesgruppenchef Michael Glos äußerte die Befürchtung, mit dem Bundeswehreinsatz würden die wirtschaftlichen Strukturen, zu denen auch der Drogenhandel gehöre, gefestigt. Diese Sorge wurde zwar auch von der Regierung geteilt, aber nicht als Hindernis gewertet.

Fischer wies zudem die vor allem von FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt erhobene Forderung nach einem neuen politischen Konzept mit Verweis auf das Petersberg-Abkommen zurück. CDU-Chefin Angela Merkel versicherte anschließend, dass "wir verantwortungsvoll mit den anstehenden Entscheidungen umgehen wollen". Es seien aber noch viele Fragen zu klären. Auch FDP-Chef Guido Westerwelle sah "mehr Fragen offen als vor der Unterrichtung".

Während des Krieges war Kundus eine Hochburg der Taliban-Regierung. Die Stadt verfügt über ein modernes Flugfeld; durch sie führt eine wichtige Straße von der 60 Kilometer entfernten tadschikischen Grenze im Norden zur 245 Kilometer südlich gelegenen Hauptstadt Kabul. Die dominierende Volksgruppe unter den etwa 100000 Einwohnern sind der Usbeken.

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