Berliner Republik:Der Zirkel

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Angela Merkel ist seit 13 Jahren Kanzlerin. Aber auch die mächtigste Frau Deutschlands braucht enge Gefährten. Ein Überblick über die wichtigsten Vertrauten.

Von Stefan Braun und Robert Roßmann

Angela Merkel ist gerade zum vierten Mal zur Kanzlerin gewählt worden. Das schafft niemand im Alleingang. Wer sind die, die ihr zur Seite stehen? Nicht alle sieht man vorn auf der Bühne; so mancher agiert hinter den Kulissen. Einige sind ewig dabei, andere neu dazugekommen. Ein Überblick über Merkels Truppe.

Innerster Kreis

Zwei Frauen sind für Merkel seit Jahrzehnten unverzichtbar: Beate Baumann und Eva Christiansen. Wer die 54-jährige Baumann nicht kennt, würde sie nicht für wichtig halten - so unscheinbar, zurückhaltend, leise tritt die Frau auf, die seit mehr als zwanzig Jahren Merkels Büro leitet. Hinter der freundlichen Fassade kann freilich eine sehr strenge Verteidigerin ihrer Chefin aufblitzen.

Merkel und Baumann sind sich nicht nur in den meisten Sachfragen einig. Sie teilen auch zentrale Überzeugungen. Dazu gehört die unverbrüchliche Solidarität zu Israel, dazu gehört ein unbeirrt kritischer Blick auf Autokraten wie Wladimir Putin oder Recep Tayyip Erdoğan. Und dazu gehört eine generelle Skepsis gegenüber großen Politikentwürfen. Die "schwäbische Hausfrau" als Synonym für Merkels Vorsicht während der Weltfinanzkrise haben die beiden gemeinsam entworfen.

Mit dem Duo am engsten verbunden ist Eva Christiansen. Sie ist seit 1998 an Merkels Seite. Während Baumann so gut wie nie auftritt, ist die 47-Jährige eine halb-öffentliche Erscheinung. In Merkels heikelster Zeit - als sie den CDU-Spendenskandal bewältigen musste und sich im parteiinternen Machtkampf durchsetzen konnte - war Christiansen die Pressesprecherin. Mit dem Einzug ins Kanzleramt änderte sich ihre Rolle. Nach einer Babypause wurde sie zur Chefkoordinatorin von Merkels Auftritten. Sie berät die Kanzlerin, wann und wo sie politische Botschaften senden und wie sie auf Krisen reagieren soll. Anders als Baumann, die nur sehr gewählt Kontakte pflegt, ist Christiansen seit vielen Jahren auch Merkels Chefinterpretin gegenüber Journalisten. Eines aber macht sie bis heute so gut wie nie: Interviews geben.

Annegret Kramp-Karrenbauer ist erst seit wenigen Wochen CDU-Generalsekretärin, gehört aber schon zum engsten Kreis von Angela Merkel. (Foto: Wolfgang Kumm/dpa)

Zu diesem engsten Kreis gehört auch Merkels Mann, der Naturwissenschaftler Joachim Sauer. Der 68-Jährige nimmt die Rolle des Kanzlerin-Gatten nur zu seltenen Gelegenheiten an. Trotzdem ist Sauers Rolle als Berater Merkels größer als viele denken. Alles spricht dafür, dass sich die beiden in grundsätzlichen Fragen intensiv austauschen. Überdies bleibt eines in Erinnerung: Ihre erste politische Krise erlebte Merkel in der Wendezeit, als Sprecherin des Demokratischen Aufbruchs (DA). Als DA-Chef Wolfgang Schnur als IM enttarnt wurde, war es Sauer, der für Merkel den Text zum Rücktritt mitformulierte. Das würde heute nicht mehr passieren. Aber es erzählt viel über das Verhältnis der beiden.

Annegret Kramp-Karrenbauer ist erst seit wenigen Wochen CDU-Generalsekretärin, gehört aber schon zum engsten Kreis. 1981 trat sie wegen des damaligen Generalsekretärs Heiner Geißler in die Partei ein, jetzt nimmt sie ihn für ihre eigene Arbeit zum Vorbild. Geißler hat sich gern als geschäftsführender Parteichef bezeichnet - 1989 versuchte er sogar mit ein paar Getreuen den Parteivorsitzenden Helmut Kohl zu stürzen. Kramp-Karrenbauer will die in vielen Regierungsjahren erschlaffte CDU wiederbeleben - etwa mit einer Programmdebatte. Und sie will die Parteizentrale unabhängiger vom Kanzleramt führen als ihre Vorgänger. Beides wird die Klagen in der CDU, nur noch Kanzlerinnen-Wahlverein zu sein, kleiner werden lassen - was Merkel hilft. Die Kanzlerin muss dabei keine Angst haben, dass Kramp-Karrenbauer ihre Stärke wie dereinst Geißler gegen die Spitze einsetzen könnte. Denn Merkel und Kramp-Karrenbauer schätzen und vertrauen einander. Und wenn irgendwann Kramp-Karrenbauer Merkels Nachfolgerin werden würde, hätte die Kanzlerin nichts dagegen. Die Saarländerin würde Merkels politisches Erbe hoch halten.

Enge Vertraute

Fast genauso wichtig ist Peter Altmaier. Der neue Wirtschaftsminister hat Merkel mehrmals in brenzligen Situationen geholfen. Nach dem Rauswurf von Umweltminister Norbert Röttgen sollte er die stockende Energiewende wieder voranbringen. Als Koordinator für die Flüchtlingspolitik griff er dem damaligen Innenminister Thomas de Maizière unter die Arme. Und im letzten Wahlkampf übernahm Altmaier von Peter Tauber die Regie über das CDU-Programm und den Wahlkampf. Außerdem war er wichtigster und eloquentester Erklärer der Merkel-Politik in Talkshows.

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Zu den engen Vertrauten zählt auch Volker Kauder. Der Unionsfraktionschef ist sogar einen Tag länger im Amt als die Kanzlerin. Für Merkel ist er eine kaum zu unterschätzende Stütze. Als Fraktionschef hat er eine eigene Machtbasis und unterliegt nicht der Kabinettsdisziplin, er könnte Merkel das Leben schwer machen. Kauder sieht es aber als Aufgabe eines Fraktionsvorsitzenden an, es der eigenen Regierungschefin leicht zu machen. Merkel hat auf eine Wiederberufung ihrer langjährigen Weggefährten Thomas de Maizière und Hermann Gröhe ins Kabinett verzichtet, auch in der Fraktion haben sich manche einen Neuanfang gewünscht. Aber Merkel ging auf Nummer sicher. Trotz des Grummelns vieler Abgeordneter schlug sie Kauder zur Wiederwahl vor. Der bekam zwar ein vergleichsweise schlechtes Ergebnis, sorgt aber weiterhin dafür, dass sich die Kanzlerin um die Gefolgschaft ihrer Fraktion wenig Sorgen machen muss.

Der Dritte in diesem Kreis ist Steffen Seibert. Der Regierungssprecher ist seit 2010 an Bord und wohl derjenige, der sich neben Baumann am stärksten dem Leben der Kanzlerin verschrieben hat. Für ihn gibt es keine Pause, er muss eigentlich immer erreichbar sein. Der Staatssekretär und Chef des Bundespresseamtes hat dabei vor allem eine Aufgabe: Er ist das Sprachrohr der Regierungschefin.

Stützen im Kabinett

Ursula von der Leyen ist die einzige, die seit Merkels erstem Regierungstag im Kabinett sitzt. Sie steht wie keine andere für die gesellschaftspolitische Modernisierung der CDU. Allerdings hat sie es als Verteidigungsministerin nicht geschafft, die Stufe zur natürlichen Nachfolgerin Merkels zu erklimmen. Durch die Schrammen, die auch sie sich in diesem Amt zuletzt holte, hat sie an politischer Stärke eingebüßt. In der CDU war sie noch nie die Beliebteste. Trotzdem ist sie als loyale Kraft in harten Auseinandersetzungen oder Wahlkämpfen für Merkel weiter unverzichtbar.

Agrarministerin Julia Klöckner ist dagegen der Liebling der CDU-Parteitage. Sie heimst bei der Wahl der Merkel-Stellvertreter immer das beste Ergebnis ein. Bis zum Flüchtlingsherbst 2015 lag Klöckners CDU in Rheinland-Pfalz fast zehn Prozentpunkte vor der SPD. Klöckner galt vielen bereits als die nächste Regierungschefin, ein Wahlsieg hätte sie in den Kreis der aussichtsreichen Merkel-Nachfolger katapultiert. Doch es folgte ein gewaltiger Umschwung, bei der Wahl im März 2016 lag die CDU auf einmal klar hinter der SPD. Klöckner hat dazu mit einer leichten Absetzbewegung von Merkel zwar einen Teil selbst beigetragen, entscheidend für den Absturz war aber die Flüchtlingspolitik in Berlin. Klöckner hat die Schuld für ihre Niederlage nie Richtung Kanzleramt geschoben, was ihr Merkel positiv anrechnet. Im neuen Kabinett kann sich die Kanzlerin auf Klöckner verlassen, die 45-Jährige steht - anders als Jens Spahn - für Verjüngung ohne Risiko.

Neu in Merkels engster Truppe ist Helge Braun. Die Kanzlerin hat ihn in den vergangenen Jahren als loyalen und effizienten Staatsminister schätzen gelernt. Er hat sich vor allem um die Bund-Länder-Koordinierung gekümmert. In einer Zeit, in der in den 16 Bundesländern 13 verschiedene Koalitionen regieren, ist das eine diffizile Aufgabe. Jetzt soll Braun als Kanzleramtschef alle Probleme abräumen, bevor sie zu einem Problem für Merkel werden können.

© SZ vom 17.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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