Berliner Ehrenmord:"An dem Vater kommt man erst mal nicht vorbei"

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Politiker aller Parteien haben sich vehement dagegen ausgesprochen, dass die Familie der ermordeten Deutschtürkin Hatun Sürücü das Sorgerecht für deren Sohn erhält. Aber auch der leibliche Vater könnte Ansprüche erheben.

Oliver Das Gupta

Diesmal sind sich alle Parteien einig - von der Union bis zur Linkspartei: Das Sorgerecht für den sechsjährigen Can darf nicht an die Familie Sürücü fallen.

Ein Archivbild zeigt Hatun Sürücü mit ihrem Sohn Can. (Foto: Foto: dpa)

Nachweisen konnte man den Familienmitgliedern eine Verwicklung in den Mordfall zwar nicht. An der Unschuld der zwei Brüder gibt es durchaus Zweifel - freigesprochen wurden sie trotz schwerer Vorwürfe aus Mangel an Beweisen.

Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz hält es für nicht vorstellbar, dass deutsche Behörden der Familie das Sorgerecht für den Sohn der ermordeten Hatun zusprechen. "Es ist ausgeschlossen, dass dies in Betracht kommt", sagte Wiefelspütz der Berliner Zeitung. Das Kindeswohl müsse im Vordergrund stehen.

Was gut für den sechsjährigen Can ist, muss allerdings nicht die Politik, sondern die Justiz feststellen - und die könnte möglicherweise auch zugunsten einer weiteren Person entscheiden:

Da Hatuns Sohn ein eheliches Kind ist, hat der leibliche Vater den Anspruch auf das Sorgerecht - auch wenn er sich bislang nicht um das Kind gekümmert hat.

"An dem Vater kommt man erst mal nicht vorbei," sagt die Münchner Familienrechtsanwältin Claudia Spindler.

Inwieweit die Ehe als gültig gelten kann, ist unklar: Hatun war 15 Jahre alt bei der Hochzeit, außerdem handelte es sich um eine arrangierte Heirat - gegen den Willen der Braut.

Und ob sich Cans Vater überhaupt mit dem Schicksal seines Sohnes beschäftigt, ist offen.

Am Interesse der Sürücüs besteht jedoch kein Zweifel: Hatuns Schwester Arzu sagte, sie wolle "in den kommenden Wochen das Sorgerecht beantragen."

Dem Gericht obliegt es dann, zu prüfen, ob dies gut für das Kind ist. Dazu wird die Familie Sürücü vermutlich begutachtet und dabei die Lebensweise, aber auch die Umstände der Ermordung der Mutter berücksichtigt.

Die Familie hat sich inzwischen demonstrativ vom Täter, dem jüngsten Sürücü-Sproß Ayhan, distanziert. Sie sieht in ihm angeblich "kein Familienmitglied mehr".

Ob das die Justiz überzeugt, ist allerdings zweifelhaft.

Familienrechtlerin Spindler rät jedenfalls, "sich zurückzulehnen", denn angesichts der Vorgeschichte sind die Erfolgschancen für die Sürücüs mau: "Die haben keine guten Karten."

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