Berlin-Kreuzberg:Das Sagen haben die großen Brüder

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Nach den Unruhen in Frankreichs Vorstädten wächst auch in Deutschland die Sorge vor dem sozialen Sprengstoff in Migranten-Vierteln. Ein Besuch im Berliner Stadtteil Kreuzberg zeigt: Die Bewohner wissen, dass sie für den sozialen Frieden selbst etwas tun müssen. Doch für ihre Kinder sehen sie schlechte Chancen.

Annette Ramelsberger

Ismail hat die rote Basketballmütze auch im Klassenzimmer nicht abgesetzt. Er turnt auf seinem Stuhl herum und räkelt sich ausgiebig. Was will er denn mal werden? Der Junge lehnt sich lässig auf dem Stuhl nach hinten und grinst übers ganze Gesicht: "Drogendealer und Waffenhändler", kräht er. "Oder Zuhälter." Jetzt grinst Ismail noch ein wenig breiter.

Im Berliner Stadtteil Kreuzberg leben viele Migranten - vor allem aus der Türkei (Foto: Foto: Reuters)

Ismail reißt die Klappe gern weit auf. Schließlich muss er, der Kleine, der aussieht wie 13, aber doch schon 15 ist, sich ständig Respekt verschaffen - in der Schule, in der Familie, bei seinen acht Geschwistern. Und den Respekt setzt Ismail dann auch handgreiflich durch. Die Schule hatte er wochenlang geschwänzt, und wenn er dort war, "da habe ich nur Mist gebaut", sagt er. Stolz erzählt er von seinen Taten: "Meine Lehrerin angespuckt, Stifte nach ihr geschmissen, andere ausgeraubt." Als das der Vater mitbekam, gab es Dresche. Und Ismail flog von der Schule.

"Wir müssen unbedingt an diese Familie herankommen", sagt Ismails neue Lehrerin Renate Prothmann. Die 42-Jährige und ihre Kollegen vom Pestalozzi-Fröbel-Haus in Berlin-Kreuzberg kümmern sich um die, die sich schon mit 15 alle Chancen verbaut haben: Jugendliche, die bereits ein ganzes Jahr nicht mehr zur Schule gehen, an U-Bahnhöfen rumhängen, keine Aussicht haben, je einen Job zu bekommen. Deren Zukunft vorbei ist, ehe sie begonnen hat.

Ismails Eltern kommen aus dem Libanon, die Mutter ist erst 27 Jahre alt, mit 14 ist sie verheiratet worden. Jetzt hat sie neun Kinder, Ismail ist das älteste. "Meine Eltern wissen genau, dass aus mir nichts wird", sagt er trotzig. An diesem Tag ist in der Schule wieder ein Termin mit den Eltern angesetzt - der dritte. Zu den ersten beiden sind die Eltern nicht gekommen. An diesem Nachmittag sind sie für vier Uhr verabredet. Jetzt ist es zwanzig nach - keiner ist da.

Der Berliner Mariannenplatz: Alkoholiker, Junkies...

"Wir bemühen uns um die Menschen, und wir haben auch Erfolgserlebnisse", sagt Renate Prothmann. "Bei uns ist es ganz anders als in Paris." Prothmann arbeitet mitten im Kiez von Kreuzberg, direkt am Mariannenplatz. Dort, wo vor einem Jahr die erste Schule bekannt gab, dass sie keinen deutschen Schüler mehr hat. Hier sind ganze Häuserblocks in türkischer oder libanesischer Hand. Hier ziehen schon türkische Familien weg, weil sie für ihre Kinder keine Chancen sehen. Und hier leben Leute, die darum kämpfen, dass ihr Viertel kein Ghetto wird.

In dem rosa getünchten Altbau am Mariannenplatz 6 sitzt die türkische Familie Gün mit ihren Nachbarn. Die Güns sind Eroberer: Sie haben sich im Sommer den Platz vor ihrer Haustür zurückerobert. Zuvor besetzten Alkoholiker die Bänke um den Brunnen am Mariannenplatz, ihre Schnapsflaschen warfen sie ins Wasserbecken, Junkies nutzten das Gebüsch für den nächsten Schuss, die Spritzen lagen zwischen den Sträuchern. Ratten hatten sich hier Nester gebaut. Die Güns, ihre Nachbarn und die Jugendlichen aus Ismails Schule haben die Rattennester ausgemistet und neue Erde in die Rabatten geschaufelt.

Im Frühjahr sollen hier 1000 Tulpen blühen. Wenn jetzt jemand seinen Hund in die Anlage machen lässt, ruft man ihm aus den Fenstern zu, er solle sich mal schnell wegmachen. "Können wir unseren Platz in der Weihnachtszeit nicht auch beleuchten", fragt eine Nachbarin. "Bitte, bitte, bitte", gurrt sie, sie seien doch so stolz auf den hübschen Platz.

Die Güns sind auch stolz auf den Platz und ihr Viertel. Sie wohnen hier gern. Aber ihren Sohn haben sie hier nicht eingeschult. Dem Kind zuliebe. "Wir haben mit dem Bezirksamt gerungen, dass wir unseren Sohn hier nicht zur Schule schicken müssen", sagt Mehmet Gün. Weil der Junge eine Chance haben soll. Weil er richtig Deutsch lernen soll. "Ich habe das doch an den Kindern in der Nachbarschaft gesehen", sagt Frau Gün. "Die sind in der Schule zurückgeblieben, die haben nichts gelernt."

Berlin ist nicht Paris, Kreuzberg nicht das Ghetto der Banlieues

Mehmet Gün kam als Student nach Deutschland, er lebt seit 29 Jahren hier, seine Frau seit 34 Jahren. "Die wollten uns zwingen, dass wir unseren Sohn in Kreuzberg einschulen", sagt Fikriye Gün. "Ich habe geweint." Noch immer ist sie aufgewühlt. Am Ende wurde ihnen sogar mit einem Bußgeld bis zu 5000 Mark gedroht- das kann eine Familie mit wenig Einkommen einschüchtern.

"Ich bin zum Bezirksamt Mitte und habe gesagt: Helft uns! Die haben uns dann einen Platz in einer Schule dort gegeben", sagt Mehmet Gün. Man sieht ihm die Erleichterung noch an. In Mitte, dem ehemaligen Ostteil Berlins, gibt es nur wenige Ausländer. Hier muss ein türkisches Kind auch in den Pausen Deutsch sprechen - nicht nur im Unterricht.

Berlin ist nicht Paris, und Kreuzberg nicht das Ghetto der Banlieue. Aber es ist hier ein Kreislauf in Gang gekommen, der sich immer weiter verstärkt. Familien, die auf Bildung halten, ziehen weg. Niemand kann sie aufhalten. Mit ihnen entschwindet die Kaufkraft, die soziale Balance gerät ins Wanken. Gleichzeitig aber wächst im Kiez ein Bewusstsein, dass man sich selbst helfen muss, wenn einem sonst keiner hilft. Und dass es nicht reicht, auf den Staat zu warten. Denn der hat kein Geld, vielleicht auch kein Interesse. "Die lassen uns einfach allein", sagt Fikriye Gün.

In Frankreich haben die Krawalle über zwei Wochen gedauert (Foto: Foto: AFP)

Immerhin müssen jetzt alle Fünfjährigen einen Sprachtest ablegen, damit sie bis Schulbeginn ihr Deutsch verbessern können. Aber die ausländischen Kinder bleiben trotzdem unter sich. In den USA gab es in den sechziger Jahren das Bussing: Busse brachten schwarze Kinder in weiße Schulen und umgekehrt. Es scheiterte bald am Widerstand der Eltern. "Wenn wir die Kreuzberger Kinder nach Mitte bringen würden und umgekehrt, würde jeden Morgen der Verkehr zusammenbrechen", sagt der Integrationsbeauftragte der Stadt, Günther Piening. Es ist ein lange herangezüchtetes Problem.

Seit dem Mauerfall sind viele Jobs weg

Sevgi Kayhan, Sozialarbeiterin vom Quartiersmanagement am Mariannenplatz, kam 1978 nach Deutschland. Da war sie sieben. "Die packten uns in eine türkische Klasse, wo wir türkischen Unterricht bekamen - weil wir ja Gastarbeiterkinder waren", sagt Kayhan. "Wir sollten bald zurückgehen." Einige Jahre später wurden die Kinder im Schnelldurchlauf in deutsche Schulen integriert.

Sevgi Kayhan hat es trotzdem geschafft, hat Abitur gemacht, studiert, ein Kraftakt. Ihre Generation hat immerhin noch Jobs gefunden. Seit dem Mauerfall schließen die Fabriken in Berlin, jedes Jahr werden Hunderte auf die Straße gesetzt. Ausländer finden kaum noch Arbeit. "Meine Generation erlebt die Resignation", sagt Kayhan. "Wie sollen die Eltern da den Kindern einen Weg zeigen?"

So ziehen sich die Menschen immer mehr in ihre Welt zurück: die älteren in ihre Wohnung, die jungen in ihre Clique. "Die Jugendlichen bewegen sich nur noch in ihrer eigenen Clique, die kennen gar niemand mehr außerhalb", sagt Karl Antony, der Leiter des Pestalozzi-Fröbel-Hauses, wo Ismail zur Schule geht. Auch Jobs suchen sie nur über die Freunde, alles von außen gilt als fremd. Die Clique wird für sie die bestimmende Größe.

Für Jomana ist die Clique "total wichtig", selbst dann, wenn die "totalen Scheiß" baut. Als ihre Clique einen jungen Mann überfällt, "einen jungen Deutschen", wie Jomana sagt, kann die 16-Jährige kaum hinsehen. Der Junge war groß, stark, aber gegen Jomanas Bande kam er nicht an. Sie steckten ihm brennende Zigaretten unter den Pullover und drückten sie ihm ins Gesicht. "Das sah voll schlimm aus", sagt Jomana. "Der hat mir so Leid getan." Jomana blinzelt ein wenig aus ihren sorgfältig mit Kajal umrandeten Augen, dann holt sie ihre Wimpernzange aus der Schultasche und biegt sich die Härchen wieder nach oben.

Den Freund nicht mitbringen, kein Sex vor der Ehe

"Abziehen" ist eine der Sportarten, die die Cliquen gern spielen. Abziehen, das heißt: anderen ihre Jacken, Handys, das Geld zu rauben. "Ich hatte früher jede Woche drei Handys", sagt Lumi, Jomanas Schulkameradin. Früher - da hat sie auch den Schuldirektor angeschrien, wenn der sich beschwerte, dass sie wieder zu spät kam: "Ich scheiß auf Sie, du siehst genauso misshandelt aus wie deine Schule." Und hat dann Türen geknallt. Früher hat sie auch geklaut, die Lehrerin geschlagen. Früher, das ist erst ein paar Monate her.

Lumi ist 15 und ein kleines Kraftpaket, in Deutschland geboren, aus einer libanesischen Familie. Sie trägt rosa Lidschatten, einen rosa-glitzernden Schmetterling um den Hals und ein hautenges T-Shirt. Sie kennt in Kreuzberg jede Ecke, geht mit ihrem Kumpel vom Dönerladen gern ins Kino, und wenn sie einer dumm anquatscht, verteidigen die Jungs aus ihrer Straße sie sofort. "Ich bin wie eine kleine Schwester für die."

Sie hält sich brav an die Familienregeln: Den Freund nicht nach Hause bringen und kein Sex vor der Ehe. "Das kommt für mich nicht in Frage, da könnte ich meiner Mutter nicht mehr in die Augen sehen", sagt Lumi. Wenn Lumi heimkommt, wartet dort der große Bruder. Er ist 17; seitdem der Vater die Familie verlassen hat, fühlt er sich als der Mann im Haus. "Der würde mich schlagen, wenn er wüsste, dass ich einen Freund habe", sagt Lumi. Geschlagen wird schnell bei ihr daheim. Mal ist ihr Arm gebrochen, mal die Nase der Schwester. Das erzählt sie so nebenbei.

Die Aggressionen haben sich am 1. Mai entladen

Es sind oft die großen Brüder, die die Respektspersonen sind. Und diese Brüder werden zu Vorbildern der Jüngeren. "Die Kinder imitieren das Verhalten der Älteren", sagt Lehrerin Prothmann und berichtet von dem Jungen, den sie in der Klasse hatte: Zehn Kinder waren in der Familie, bis auf einen waren alle im Gefängnis. Wie sollte sich da der eine dagegen wehren? Auch deshalb ist es ihr so wichtig, dass sie Ismails Eltern zu fassen kriegt. Der Junge braucht ein Vorbild.

"Man muss sehr achtsam sein auf seine Kinder", sagt Fikriye Gün. Drei Kinder hat die Türkin, nie hat sie sie zum 1. Mai gehen lassen. Immer hingen die Kinder nur fasziniert im Fenster, wenn unten Autonome die Polizei angriffen, Steine warfen, Autos anzündeten. Aber ihre haben nie mitgemacht. Ihre Kinder haben es geschafft, die Älteste studiert schon. Bei anderen, den Jungen ohne Ausbildung, da macht sich Wut breit. Wut darauf, keine Chance zu haben. "Diese jungen Leute sind arbeitslos, sie haben Langeweile. Ich spüre, wie sie aggressiv werden", sagt Mehmet Gün.

Jahrelang hat sich die Aggression am 1. Mai entladen. Da flogen die Steine. Die Kameras hielten drauf und zeigten das wilde Kreuzberg, das, das man jetzt gern mit den Vorstädten von Paris vergleichen möchte. Doch man kann dieses Kreuzberg nicht mehr zeigen - am 1. Mai 2005 blieb alles friedlich. Es war das Wunder von Kreuzberg.

Ein vorbereitetes Wunder. Seit drei Jahren versuchen Polizei, Bezirk und Nachbarschaft, die Randale zu verhindern. Sie haben ein Fest genau dort organisiert, wo sonst die Autos brannten. Sie tanzten Tango auf der Straße, wo sonst Polizei aufmarschierte. Und die Polizei, die früher in Sarkozy-Manier dreinschlug, hielt sich zurück. "Wir haben das Konzept der ausgestreckten Hand durchgesetzt", sagt Jürgen Klug, der jahrelang Polizeichef von Kreuzberg war.

Sie bekommmen, was sie sich wünschen: Respekt

"Wir haben die großen Brüder auf die Straße gebracht, damit die den Jüngeren auf die Finger schauen. Wir sind an die Moscheen herangetreten: Die Imame haben gepredigt, dass Randale Unrecht ist. Und die Nachbarn haben sich dagegen gewehrt, dass ihnen die Fenster zerdeppert werden." Als türkische Familien sich über ein Lagerfeuer auf dem Mariannenplatz beschwerten, löschten es die zündelnden Jungs mit ihrem Bier. Auch das ein Wunder.

Reda Hussein ist 21, hat dunkle Augen, kurz geschorenes Haar und kräftige Muskeln. Seine Eltern kommen aus Palästina. Am 1. Mai würden ihn Leute, die ihn nicht kennen, auf der anderen Seite der Barrikade vermuten: dort, wo die Steinewerfer stehen. Doch Reda steht auf der Seite seiner Familie. Die lebt hier und will ihre Ruhe. Reda ist ein Beschützer.

Alles begann damit, dass Reda und seine Brüder an einem 1. Mai eine Breakdance-Bühne aufbauten. Keine Versicherung wollte das Risiko für die teuren Boxen übernehmen. Da übernahmen die Jungs die Verteidigung selbst. Und dann wollten sie nicht mehr nur ihre Boxen beschützen. Ihr Jugendclub machte daraus ein Projekt: "Protection 05" - junge Kreuzberger beschützen ihren Kiez. Und das professionell.

Mittlerweile trainiert zweimal pro Woche der frühere Deutsche Box-Meister Ibrahim Vural mit ihnen. Auch er kommt aus Kreuzberg. Der Sicherheitskonzern Securitas sponsert sie. Im Keller des Jugendclubs Naunynritze stemmen sie abends Gewichte, tagsüber beschützen sie den Empfang der Kreuzberger Bürgermeisterin. Die Jungs bekommen nun, was sie sich so wünschen: Respekt. "Ich kenne einige, die ihre Aggressionen aufgefressen hätten, wenn sie nicht in dieses Projekt reingekommen wären", sagt Reda.

Der Glaube gibt ihnen Kraft

Gerade kommt Niat Acar im Jugendclub Naunynritze vorbei. Er ist einer derjenigen, dem sie hier helfen, sich selbst aus dem Sumpf zu ziehen. Fünf Existenzgründungen hat der Club schon begleitet, einen Renovierungsservice, ein Fitnessstudio und Niats Laden.

Vor zwei Wochen hat er ein Internet-Café eröffnet, den Gästen bietet er 40 Sorten Tee und alkoholfreie Cocktails. "Alkoholfrei, da müssen wir nochmal drüber reden", sagt Sozialarbeiter Achim Wenning. "Da lass ich nicht drüber reden", sagt Niat. "Ich verkaufe keinen Alkohol." "Mal abwarten, was das Betriebsergebnis sagt", beharrt Wenning. "Lieber mach ich den Laden zu, als dass ich Alkohol verkaufe", sagt Niat. 22 Jahre alt ist er, passionierter Fußballer und streng gläubig.

So wie viele hier. Der Glaube gibt ihnen Kraft. "Ohne Religion würden viele kaputtgehen", sagt Reda. "Religion beruhigt", sagt Sozialarbeiterin Kayhan. Auch sie merkt, wie immer mehr Familien den strengen Islam leben, wie immer mehr Kopftücher auftauchen. Für Niat kommt nur eine Muslima als Frau in Frage, zum Kopftuch würde er sie nicht zwingen, aber ein bauchfreies T-Shirt würde ihn schon arg "stressen".

"Ich brauche meine AOK"

So streng gläubig Niat ist, so streng deutsch ist er. Zweimal hatten ihm türkische Fußballvereine angeboten, bei ihnen zu spielen. Zweimal war Niat in der Türkei und kam zurück. Am Ende stand er kurz davor, einen Profivertrag zu unterschreiben. Er konnte nicht. "Ich hatte Heimweh nach Berlin. Ich bin hier zu Hause. Ich muss hier meinen Weg machen", sagt Niat. Und wenn er ein Angebot von Galatasaray Istanbul bekommen hätte, dem berühmten Club? "Das Geld ist schön, der Verein ist schön. Aber was nützt es mir, wenn ich dort mein Ich nicht finde?"

Niat will in Berlin bleiben. "Wissen Sie, ich brauche meine AOK, meinen Sozialstaat, die pünktliche U-Bahn. Das ist mir alles wichtig." Später will er Kinder. Aber mit Kindern würde er aus Kreuzberg wegziehen. "Es gibt hier so viele Drogen, Kriminalität. Nicht jeder ist so stark wie ich und lässt die Finger davon."

Zwei Straßen weiter wartet Renate Prothmann im Pestalozzi-Fröbel-Haus noch immer auf Ismails Eltern. Es ist schon dunkel draußen. Frau Prothmann seufzt, sie beginnt, ihre Sachen einzupacken. Da schaut Ismail durch den Türspalt. Er zieht eine Frau an der Hand, vollbepackt mit Einkaufstüten. Eine attraktive Frau, der man die neun Kinder nicht ansieht. Ganz ernsthaft setzt sie sich mit den Lehrern auseinander. Ismail spurtet durchs Haus, zeigt seiner Mutter die Küche, sein Klassenzimmer.

Am Morgen danach glüht Ismail vor Eifer. Macht im Unterricht mit, beantwortet jede Frage, meldet sich. "Was habt ihr mit dem gemacht", fragt eine Lehrerin. "Seine Mutter war da", sagt Renate Prothmann. "Er hat gemerkt, dass es wichtig ist, dass er lernt." Und dann sagt die Lehrerin: "Bei Ismail habe ich Hoffnung."

© SZ vom 19.11.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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