Bamf:Irrtum der Überforderten

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Die Behörde räumt Fehler im Fall Franco A. ein. Jetzt wird geprüft, ob es noch mehr falsche Entscheide gibt.

Von Markus Mayr und Bernd Kastner, Berlin/München

Asyl oder kein Asyl: Flüchtlinge vor dem Bamf in Spandau. (Foto: Stefanie Loos/Reuters)

"Gravierende Fehler" hat die Chefin des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Jutta Cordt, im Innenausschuss des Bundestages eingeräumt. Seit der Verhaftung des Bundeswehr-Offiziers Franco A. stellt sich die Frage, wie er beim Bamf als angeblicher syrischer Flüchtling durchgehen konnte, ein Deutscher, der nicht einmal Arabisch spricht. Der Innenausschuss hatte die Bamf-Chefin am Mittwoch zu einer nicht öffentlichen Anhörung geladen. Anschließend wandte sie sich mit einem vorbereiteten Statement an die Öffentlichkeit.

Cordt räumte ein, dass "in allen Verfahrensschritten, von der Antragsstellung über die Anhörung bis hin zur Entscheidung", Fehler geschehen seien. Das System zur Sicherung der Verfahrensqualität habe versagt. Jedoch versicherte sie, dass es nach derzeitigem Kenntnisstand kein "manipulatives Verhalten" gegeben habe. Sie zerstreute damit den Verdacht, dass sich Bamf-Mitarbeiter mit Franco A. verbündet haben könnten, um den mutmaßlichen angehenden Terroristen trotz seiner Lügengeschichte durchs Asylverfahren zu schleusen. Der rechtsextreme A. soll Anschläge auf Politiker geplant haben, die er womöglich Flüchtlingen anlasten wollte.

Die Fehlersuche in der Nürnberger Behörde läuft auf Hochdruck. Die Mitarbeiter, die Franco A. den Schutzstatus verpasst hatten, hätten ihren Irrtum bemerken "können und auch müssen", sagte Cordt. Die Dolmetscher seien indes über jeden Verdacht erhaben. Sie hätten in dem Verfahren "korrekt" übersetzt. Anhörer und Entscheider sollen künftig verstärkt nachhaken, um Unwahrheiten in den Geschichten der Antragsteller aufzudecken.

Stichprobenartig werden derzeit 2000 positive Bescheide von afghanischen und syrischen Flüchtlingen auf Auffälligkeiten überprüft. Cordt wollte wegen der andauernden Untersuchung nichts zu bereits erlangten Ergebnissen sagen. Jedoch hatten Bild und B.Z. am Mittwochmorgen berichtet: Es zeichne sich bereits ab, dass jeder zehnte Schutzbescheid zu Unrecht erteilt worden sei. Armin Schuster (CDU) mutmaßte, dass die Fehlerquote "eher höher" liege. Stephan Mayer (CSU) forderte, alle der Stichprobe zugrunde liegenden 30 000 Fälle neu aufzurollen. Irene Mihalic (Grüne) wirft derweil weniger der Asylbehörde Versagen vor als den Sicherheitsbehörden. Selbst wenn A.s Antrag auf Schutz abgelehnt worden wäre, hätte er ja trotzdem Gewalttaten verüben können, sagte sie. Man müsse wohl den militärischen Geheimdienst MAD daran erinnern, welche Aufgabe er hat: Nämlich Extremisten in der Truppe ausfindig zu machen.

Derweil sorgen innerhalb des Bamf anonyme Schreiben für Unruhe, in denen Beschäftige Kollegen anschwärzen. Die Führung versucht, dies zu unterbinden. Das geht aus einer Mitteilung hervor, welche die Personalabteilung diese Woche ins Intranet des Bamf gestellt hat: "In letzter Zeit sind vermehrt anonyme Schreiben in den Personalreferaten eingegangen, in denen sich Beschäftigte des Bundesamtes negativ über Kolleginnen und Kollegen geäußert haben, mit dem Ziel, diese in Misskredit zu bringen." Solche Schreiben würden künftig nur noch bearbeitet, wenn der Absender seinen Namen nenne. Die Pressestelle relativiert das Ausmaß der internen Missgunst: Es handle sich um "circa zehn anonyme Schreiben", teils mit privatem Hintergrund. Man werde diesen "Verunglimpfungen" keinen Raum geben.

Bamf-Insider vermuten einen Zusammenhang zum enormen Konkurrenzdruck in der Belegschaft, vor allem unter jenen Mitarbeitern, die mit befristeten Verträgen eingestellt wurden und nun auf eine dauerhafte Stelle hinarbeiten. Weil vermutlich aber nur etwa die Hälfte bleiben kann, gebe es mitunter "sehr, sehr unschöne Sachen", wie es ein langjähriger Mitarbeiter formuliert. Hinter der Kollegenkonkurrenz steht auch der Druck von oben, schnellstmöglich den Berg an offenen Asylverfahren abzuarbeiten. Dies und die mangelnde Ausbildung vieler neuer Mitarbeiter, die auf dem Höhepunkt der Asylkrise engagiert wurden, gilt Bamf-Kennern als Hauptgrund für die oftmals kritisierte Qualität von Asylbescheiden. Der Bescheid für Franco A. ist das bekannteste Beispiel.

© SZ vom 18.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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