Bamf-Affäre:Am Ende des Vertrauens

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Jutta Cordt leitete das Bamf in Nürnberg nur kurz: Sie war Anfang 2017 auf Amtschef Frank-Jürgen Weise gefolgt und musste im Juni 2018 wegen der Vorgänge in der Bremer Außenstelle wieder gehen. (Foto: Bernd von Jut/dpa)

Auch Gefährder könnten im Bremer Bamf Asyl bekommen haben. Bundesjustizministerin Katarina Barley fordert bundesweite Kontrollen.

Von Ronen Steinke, Berlin

Unter den Ausländern, die von den umstrittenen Entscheidungen der Bremer Außenstelle des Asyl-Bundesamts profitiert haben, sind womöglich auch gefährliche Personen. "Lügner und Betrüger, verurteilte Schleuser, Gewalttäter und mutmaßliche Extremisten" seien in Bremen durchgewunken worden, schreibt der Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung fehlt den Sicherheitsbehörden weiter der Überblick, was dran ist an diesen Befürchtungen. Auch die Aufklärung durch den Bund verzögert sich.

In "mehreren Hundert Fällen" seien in Bremen Personalien nicht überprüft worden, kritisierte ein hoher Sicherheitsbeamter im Gespräch mit der SZ. Ein anderer sprach von "1000 bis 1200" Ausländern, die in Bremen nicht erkennungsdienstlich behandelt worden seien. Rechtlich ist eine sogenannte erkennungsdienstliche Behandlung - also die Aufnahme von Fingerabdrücken und anderen Merkmalen - vorgeschrieben, bevor jemand Asyl erhält. Auch biometrische Daten seien in Bremen nicht erhoben worden, heißt es. Deshalb sei völlig unklar, ob diese Personen zum Beispiel in einem anderen Land zur Fahndung ausgeschrieben sind oder auf Terrorlisten stehen.

Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise unterblieb die vorgeschriebene erkennungsdienstliche Behandlung zwar öfter. Die Bremer Fälle aber, um die es nun geht, sollen in den Jahren 2013 bis 2016 entschieden worden sein, also zum Teil schon vor der Flüchtlingskrise 2015. Auch haben andere Außenstellen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) inzwischen großteils nachgearbeitet, Bremen offenbar nicht.

Die Asylbewerber, die von der Bremer Entscheidungspraxis profitierten, sind inzwischen auf Bundesländer verteilt. Die Bundesregierung hat am Freitag zwar angekündigt, sich gemeinsam mit Bremen um eine rasche Aufklärung der Vorgänge in der Bamf-Außenstelle zu kümmern. Eine Arbeitsgruppe wurde eingerichtet, die wegen Korruption oder Rechtsbeugung dort ermitteln soll. Was jedoch die Überprüfung der Gefährlichkeit von Hunderten Personen betrifft, wurde ein konkretes Vorgehen bislang nicht vereinbart, hieß es. Einer der Antragsteller soll Papiere aus der IS-Hochburg Raqqa vorgelegt haben, ohne dass dies überprüft wurde, ein anderer soll sich selbst als syrischer Ex-Geheimdienstler bezichtigt haben.

Auf Anfrage erklärte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums, "für den Bereich der Gefahrenermittlung", also die Frage, ob und inwieweit islamistische Gefährder von Asylentscheidungen in Bremen profitierten, finde die Überprüfung "in enger Abstimmung" des Bundeskriminalamts (BKA) und des Bundesamtes für Verfassungsschutz mit den betroffenen Ländern "derzeit statt". Dort wundern sich manche indes, dass der Bund noch keinen Kontakt zu ihnen aufgenommen habe in dieser Sache.

Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) hat unterdessen bundesweite Kontrollen der Asylbescheide gefordert. "Ich würde mir wünschen, dass stichprobenartig generell und überall in Deutschland Asylbescheide überprüft werden", sagte Barley der Bild am Sonntag. Mit Blick auf Josefa Schmid, die ehemalige Leiterin der Bamf-Außenstelle in Bremen, die die Missstände aufklären wollte und gegen ihren Willen versetzt wurde, kündigte Barley einen besseren Schutz für sogenannte Whistleblower an. Das Beispiel Schmids sei leider kein Einzelfall. In vielen Fällen, wo Menschen Fehler anprangerten, müssten sie die Konsequenzen tragen, und nicht diejenigen, die die Missstände verursacht hätten.

© SZ vom 28.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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