Autohersteller:Bloß kein Zulieferer werden

Lesezeit: 2 min

Lange haben die Chefs der Autokonzerne etwas gönnerhaft auf Google und Apple geschaut. Sie dachten, das seien Firmen aus einer anderen Welt. Nun begreifen sie, wie nahe die ihnen wohl kommen werden.

Von Karl-Heinz Büschemann

Kürzlich war Daimler-Chef Dieter Zetsche im Silicon Valley, um einen Blick in die Zukunft zu werfen. Er habe so viel gelernt, sagt er, dass er "anders zurückgekommen" sei, als er hingereist sei. Gespräche bei den Googles oder Apples, den Wortführern der digitalen Zukunft, haben ihm Erkenntnisse vermittelt, die ihn einiges in seiner Industrie heute anders sehen lassen als vorher.

Auch andere Autochefs zeigen sich vor der Internationalen Automobilausstellung (IAA) betont nachdenklich. BMW-Vorstandschef Harald Krüger spricht von der bevorstehenden Umwälzung der Autoindustrie. "Unser Geschäft bekommt ganz neue Spielregeln." VW-Chef Martin Winterkorn kann sich sogar vorstellen, dass es in seiner Branche schon bald Konkurrenz von Firmen wie Google oder Apple geben könnte.

Solche Worte sind überraschend, und weil die Autochefs plötzlich so leise Töne anschlagen, lassen sie aufhorchen. Vor allem Daimler und VW haben sich in der Vergangenheit ganz anders angehört. Eine Bedrohung der Autobranche durch Datenfirmen wie Google oder Apple? Ach was. Undenkbar. Vor zwei Jahren sagte Zetsche noch gönnerhaft, sein Unternehmen habe selbstverständlich Kontakte mit Google. Es könne "interessant sein", mit ihnen zusammenzuarbeiten. Heute arbeitet er mit Google zusammen, und offenbar ahnt er, welche Rolle die Silicon-Valley-Firmen für die etablierten Autobauer vorgesehen haben: die des Zulieferers, der baut, was die großen Datenkonzerne wollen. Doch das mag er sich gar nicht vorstellen. "Wir wollen keine Auftragsfertiger wie Foxconn werden." Selbstbewusstsein klingt anders.

Auch VW-Chef Winterkorn scheint zu schwanen, dass der Umbruch seiner Branche schneller kommt und gravierende Folgen haben könnte . Er hat auch einen Schuldigen gefunden: "Ich habe den Eindruck, dass die Politik in Brüssel, aber auch in Deutschland, völlig unterschätzt, wie fundamental sich die Autoindustrie in den nächsten Jahren verändern wird", sagt er.

Richtig ist eher, dass die Autoindustrie den kommenden fundamentalen Wandel zu zögerlich zur Kenntnis genommen hat. Es ist noch nicht lange her, dass sich Daimler und VW über den BMW-Konzern lustig machten, der sich für das Elektroauto offen zeigte und der längst mit Apple kooperiert. Die Autowelt und das digitale Universum waren für viele Manager zwei Welten, die sich nur an einigen Stellen berühren, an denen man dann zusammenarbeiten kann. Jetzt wird ihnen klar, dass die beiden Welten miteinander verschmelzen.

Die Digitalisierung ist für alle Branchen eine Gefahr, in der Autoindustrie steht die totale Vernetzung aber erst am Anfang. Eine Studie von Roland Berger sagt, dass die deutschen Autobauer bis 2025 etwa 15 Prozent ihrer Wertschöpfung verlieren könnten, wenn sie nicht aufpassen. Das wäre ein Schlag für eine wichtige Branche und die Volkswirtschaft. Deshalb sollten es mehr Manager machen wie Dieter Zetsche und zu Lernzwecken ins Silicon Valley reisen. Vielleicht ist es ja noch früh genug.

© SZ vom 15.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: