Außergewöhnliche Berufung:Politikstudent und Berater des französischen Premiers

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Christoph Gottschalk ist 26 Jahre alt und studiert Politikwissenschaft in Berlin, denn Politik ist seine Leidenschaft. Ab Juni ist sie auch sein Beruf, denn Gottschalk soll künftig Jean-Pierre Raffarin in Paris beraten.

Marcus Jauer

(SZ vom 17.05.2003) - Einerseits ist da ein junger Mann aus Berlin, der während seines Politik-Studiums von einer offenen Stelle hört. Auf seine aussagekräftige Bewerbung hin wird er zu einem Vorstellungsgespräch geladen, bei dem er seinen besten Anzug trägt. Der Herr am anderen Ende des Tisches kennt den Lebenslauf bereits. Er möchte nur noch herausfinden, ob der Bewerber ins Team passt. Nach einer halben Stunde ist alles vorbei. Es lief sehr gut und noch am selben Tag hatte Christoph Gottschalk den Job. So etwas passiert schon mal.

Andererseits gab es das noch nie. Denn bei der Stelle handelt es sich um einen Beraterposten beim französischen Premierminister. Im Hôtel Matignon, dem Amtssitz von Jean-Pierre Raffarin, wird Christoph Gottschalk im Juni ein Büro beziehen. "Deutscher Berater für Kultur, Jugend und Erziehung" wird an seinem Türschild stehen. "Ich weiß noch gar nicht so richtig, was auf mich zukommt", sagt er.

Engagement im Europäischen Jugendparlament

Das mag stimmen, es ist aber nicht so, dass Christoph Gottschalk das schrecken würde. Das tat es schon früher nicht. In Kronberg im Taunus, wo er aufwuchs, war er Schulsprecher. Mit 17 ging er ins Europäische Jugendparlament. Das habe sein Leben verändert, sagt er. Jungen und Mädchen aus dem ganzen Kontinent stritten in Ausschüssen, fanden Kompromisse, stellten sie im Plenum vor. "Ich habe gesehen, wie begrenzt die eigene Wahrheit ist", sagt Gottschalk, "das macht etwas mit einem."

In den Interviews, die der 26-Jährige nach der Ernennung als Berater gibt, versucht er zu erklären, dass es dieses Gefühl ist, das ihn antreibt. Etwas auf die Beine zu stellen, "initiativ zu sein", wie er es ausdrückt. Inzwischen ist er Sitzungspräsident des Europäischen Jugendparlaments gewesen, und als zum 40. Jahrestag des Élysée-Vertrages ein deutsch-französisches Jugendparlament gegründet werden sollte, half er dabei.

Er hatte ja Erfahrung. Aber es sei ihm nie um eine Karriere gegangen, sagt er, nun, da er sie gemacht hat. Es sei ihm darum gegangen, von den Erwachsenen nicht als Jugendlicher abgetan zu werden. "Denn das allein ist keine Kategorie."

Aufmerksam geworden sind die Franzosen auf Christoph Gottschalk dann bei eben jenen Feiern zum Jahrestag des Élysée-Vertrages. Damals moderierte er in Berlin eine Runde, bei der 500 Jugendliche aus beiden Ländern Fragen an Gerhard Schröder und Jacques Chirac stellten. Gottschalk muss mit seiner selbstsicheren und überlegten Art beeindruckt haben, denn als der französische Premier wenig später einen Berater für sein Team suchte, da störte es ihn nicht, dass der Bewerber sehr jung war. Im Gegenteil.

Erste Aufgabe: Wohnungssuche

Was aber genau man von ihm möchte, weiß Christoph Gottschalk noch nicht. Sicher, man wird von ihm die deutsche Sicht erfragen. Was aber ist die deutsche Sicht? Kann Christoph Gottschalk einfach so für Deutschland sprechen? Oder reicht es zu sagen, was er persönlich denkt?

Es gab Momente in den letzten Tagen, da habe ihn seine neue Aufgabe erschreckt, sagt er, doch er wirkt eigentlich nicht so. "Ich freue mich, dem französischen Premier zu helfen", sagt er. Davor müsse er sich aber erst einmal um eine Wohnung kümmern.

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