Auslieferung der Krankenschwestern:Libyen wird belohnt

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Nach dem glimpflichen Ende des Krankenschwestern-Dramas haben Bulgarien und Frankreich dem libyschen Staatschef Gaddafi mehr in Aussicht gestellt als nur eine Verbesserung der diplomatischen Beziehungen.

Bulgarien hat Libyen nach der Überstellung der fünf Krankenschwestern und eines Arztes einen möglichen Schuldenerlass in Aussicht gestellt. Im Rahmen humanitärer Hilfe könnten alle Schulden der Regierung in Tripolis in Höhe von rund 39 Millionen Euro gestrichen werden, erklärte der bulgarische Ministerpräsident Sergej Stanischew.

Stanischew betonte, dass es sich dabei um eine humanitäre Geste handele. Ein Schuldenerlass solle nicht als Lösegeld oder Schuldeingeständnis gesehen werden, sagte der Regierungschef.

Nach der Freilassung der bulgarischen Krankenschwestern und eines Arztes aus libyscher Haft plant Frankreich einen Neustart seiner diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Tripolis.

Präsident Nicolas Sarkozy wurde am Mittwochnachmittag zu einem Treffen mit dem libyschen Staatschef Muammar el Gaddafi in dem nordafrikanischen Land erwartet. "Es gibt bereits Beziehungen, aber sie können wesentlich erweitert und verbessert werden", sagte Sarkozy-Sprecher David Martinon dem Fernsehsender France-2. Eine Zusammenarbeit bei Atomkraft stehe bei dem Treffen nicht auf der Agenda.

Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen

Der Staatspräsident selbst hatte erklärt, Ziel seiner Reise sei, die Eingliederung des einstigen Paria-Staates in die internationale Gemeinschaft voranzutreiben. Sein Sprecher Martinon nannte Libyen wegen seiner Lage einen "strategischen Gesprächspartner". "Wenn wir Fortschritte bei der konzertierten Mittelmeerpolitik machen wollen, müssen wir mit allen sprechen und zusammenarbeiten."

Sarkozy und seine Frau Cécilia hatten sich intensiv in die Verhandlungen der EU um die Freilassung der Bulgarinnen und des Arztes palästinensischer Herkunft eingeschaltet. Der französische Präsident hatte sein Treffen mit Gaddafi von der Lösung des Dramas abhängig gemacht.

Es gebe keinen Grund, die wirtschaftlichen Beziehungen mit Libyen nicht auszubauen, sagte die französische Wirtschaftsministerin Christine Lagarde vor dem Abflug Sarkozys. "Es gibt in diesem Land wirklich den Wunsch, sich in den Kreis der legitimen Staaten zu integrieren, insbesondere was den Handel betrifft", sagte sie dem Sender LCI.

Von langjährigen internationalen Embargos in seiner Entwicklung gebremst, hat das ölreiche nordafrikanische Land einen enormen Nachholbedarf beim Aufbau seiner Infrastruktur.

Bestimmt keine Bestrafung

Laut französischen Medienberichten forderte Gaddafi vor der Freilassung des Krankenhauspersonals, dass sich Frankreich am Aufbau einer Autobahn von West nach Ost und einer Eisenbahnlinie beteilige. Sarkozy hatte nach dem Durchbruch erklärt, man werde den Staat für seine Entscheidung "bestimmt nicht bestrafen".

Libyen hatte die Krankenschwestern und den Mediziner nach mehr als acht Jahren Gefangenschaft nach Sofia ausreisen lassen. Ihnen wurde vorgeworfen, rund 460 Kinder im Krankenhaus von Bengasi vorsätzlich mit dem HI-Virus infiziert zu haben.

Die Todesurteile gegen sie wurden erst aufgehoben, nachdem die betroffenen Familien Entschädigungen von rund einer Million Dollar pro infiziertem Kind erhalten hatten.

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