Auftakt des NPD-Verfahrens:"Ein scharfes, zweischneidiges Schwert"

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Verfassungsgerichtspräsident Voßkuhle mahnt zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit Parteiverboten.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Zu Beginn der Verhandlung über ein Verbot der NPD hat die rechtsextreme Partei versucht, das Verfahren mit diversen Anträgen zu torpedieren. Ihr Versuch, die Richter Peter Huber und Peter Müller wegen früherer politischer Äußerungen für befangen erklären zu lassen, scheiterte allerdings. Solche Äußerungen seien Richtern nicht grundsätzlich verwehrt, entschied der Zweite Senat.

Die auf drei Tage angesetzte Anhörung ist der zentrale Teil eines historischen Verfahrens, für das es in der Geschichte des Bundesverfassungsgerichts bisher nur wenige Beispiele gibt. Erst zwei Mal hat das Gericht Parteien für verfassungswidrig erklärt - 1952 die Sozialistische Reichspartei und 1956 die KPD. 2003 scheiterte ein erster Versuch, die NPD verbieten zu lassen, an einem "Verfahrenshindernis": Die NPD-Vorstände waren mit V-Leuten des Verfassungsschutzes durchsetzt. Ende 2012 beschloss der Bundesrat, einen neuen Anlauf zu wagen.

Nach den Worten des Gerichtspräsidenten Andreas Voßkuhle ist das Parteiverbotsverfahren Ausdruck des Konzepts einer wehrhaften Demokratie. Es gehe um ein "Grenzproblem" der freiheitlichen demokratischen Rechtsordnung - nämlich, "dass die Freiheit zur Abschaffung der Freiheit missbraucht und somit gegen sich selbst verkehrt werden kann". Parteien könnten ihre Freiheit nutzen, die Freiheit Andersdenkender zu beseitigen. "Vor diesem Hintergrund erweist sich das Parteiverbotsverfahren als ebenso scharfes wie zweischneidiges Schwert, das mit Bedacht geführt werden muss: Es schränkt Freiheit ein, um Freiheit zu bewahren."

Der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU), derzeit Präsident des Bundesrats, nannte die NPD eine "rassistische, antisemitische, revisionistische und demokratiefeindliche Partei". Sie schüre Hass und verbreite aggressive Drohungen gegen Minderheiten und politische Gegner. Die vergangenen beiden Jahre hätten gezeigt, dass die NPD fähig sei, Menschenmengen zu versammeln und zum Hass aufzustacheln. "Gewalt gegen Menschen und Sachen sowie Brandanschläge auf Asylbewerberunterkünfte sind Folge ihres rassistischen Gedankenguts." Die NPD wolle keinen Diskurs: "Sie will den Diskurs mit undemokratischen Mitteln zerstören."

Peter Müller, im Zweiten Senat als Berichterstatter für das Verfahren zuständig, sagte, Parteiverbote seien nur in Ausnahmefällen und unter strengen Voraussetzungen zulässig. Ein Verbot dürfe nicht dazu dienen, bestimmte politische Auffassungen zu unterdrücken. Zu den zentralen Punkten des Verfahrens gehört nach Müllers Worten die vom Bundesrat ins Feld geführte "Wesensverwandtschaft" zwischen NPD und NSDAP. Dieser Punkt sei deshalb wichtig, weil das Grundgesetz nach einer früheren Karlsruher Entscheidung das Gegenbild zur Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus sei. Geprüft werden müsse außerdem, ob die Schaffung eines bestimmten Klimas - die Bundesratsvertreter sprachen von einer "Atmosphäre der Angst" - der NPD zuzurechnen sei. "Genügt geistige Brandstiftung als Anknüpfungspunkt für ein Parteiverbot?", fragte Müller.

© SZ vom 02.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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