Attentat:An Indizien mangelt es nicht, aber an Beweisen

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Im Prozess um den Bombenanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn hebt das Oberlandesgericht den Haftbefehl gegen den Angeklagten Ralf S. auf - trotz belastender Zeugenaussagen.

Von Joachim Käppner, Düsseldorf

Im Zweifel für den Angeklagten: Dieses eherne Prinzip des Rechts klingt einfach und klar, kann aber in der Praxis außerordentlich schwierig sein. Seit Anfang 2017 hat Ralf S. in Untersuchungshaft gesessen, er hat vor Gericht und in Dutzenden Briefen und Eingaben seine Unschuld beteuert: Er sei nicht der "Wehrhahn-Bomber" - also nicht jener Täter, der vor fast 18 Jahren, im Sommer des Jahres 2000, am Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn eine Bombe gezündet und zehn Menschen verletzt hatte, manche von ihnen schwer. Eine junge Frau verlor damals ihr ungeborenes Kind, einige Opfer blieben von dem Mordanschlag traumatisiert. Die meisten von ihnen waren jüdische Sprachschüler aus Osteuropa.

Ralf S., Ex-Soldat, damals Militariahändler und erfolgloser Sicherheitsmann mit Kontakten in die örtliche Neonaziszene, hatte schon nach dem Anschlag zu den Hauptverdächtigen gehört und sich oft ausländerfeindlich geäußert, doch konnte ihm die Kripo die Tat nicht nachweisen. Erst 2014 soll er sich, als er wegen nicht gezahlter Geldstrafen im Gefängnis saß, einem Mitgefangenen anvertraut haben, er habe die Bombe gezündet.

S. hatte auch dies stets bestritten. Obwohl der Zeuge seine Aussage vor Gericht wiederholte und eine Ex-Freundin von S. im Verfahren erstmals berichtete, sie habe die Bombe vor dem Anschlag sogar in dessen Küche stehen sehen, hob das Oberlandesgericht Düsseldorf nun den Haftbefehl auf. Es gebe keinen dringenden Tatverdacht mehr, die Zeugenaussagen seien "nicht hinreichend belastbar".

Die Staatsanwaltschaft dagegen, die den heute 51-Jährigen wegen mehrfachen Mordversuchs aus Fremdenhass anklagte, hatte noch am Montag in einer vom Gericht verlangten Zwischenbilanz der Verfahrensbeteiligten ( die SZ berichtete) argumentiert, der Angeklagte habe sich während der Verhandlung selbst verraten, gleich mehrmals Täterwissen offenbart, nachweislich die Unwahrheit gesagt und sich in Widersprüche verwickelt, so Staatsanwalt Ralf Herrenbrück. Auch die Nebenkläger waren von der Schuld des Mannes überzeugt. Doch dem Gericht, das auch die lange U-Haft des Angeklagten berücksichtigte, genügten die Indizien nicht, um S. länger in Haft zu halten.

Die Verteidigung hatte von Beginn an bezweifelt, dass Ralf S. sich selbst auf solche Weise belastet haben sollte. Deutlich war allerdings auch geworden, wie schludrig die Ermittler vor 18 Jahren gearbeitet hatten, zum Beispiel durch oberflächliche Hausdurchsuchungen. Sollte der Anschlag, der damals die Republik erschüttert hatte, also ungeklärt bleiben, tragen sie einen Teil der Schuld dafür.

Gegen die Entscheidung, den Haftbefehl aufzuheben, kann die Staatsanwaltschaft Düsseldorf Beschwerde beim dortigen Oberlandesgericht einlegen. Herrenbrück sagte, man prüfe diesen Schritt nun.

© SZ vom 18.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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