Attacken gegen Merkel:"Die Union versucht uns zu demütigen"

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Der Groll wächst: Führende SPD-Politiker haben den Regierungsstil von Kanzlerin Angela Merkel erneut scharf kritisiert. Vereinzelt wird sogar der Bruch der Großen Koalition gefordert.

Finanzminister Peer Steinbrück, SPD-Fraktionschef Peter Struck, Vizekanzler Franz Müntefering und andere Sozialdemokraten der ersten Reihe haben Merkel am Samstag vorgeworfen, im Streit über den Post-Mindestlohn Lobbyisten nachgegeben zu haben.

In der Kritik: Angela Merkel (Foto: Foto: ddp)

Die Kanzlerin wisse, "dass das grenzwertig war, was da stattfand", sagte Müntefering. Der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder rief die SPD zur Ordnung: "Der Tonfall der SPD muss sich ändern."

"Es ist einfach keine gute Form der Zusammenarbeit, wenn man sich im Kabinett gemeinsam zu Beschlüssen durchringt und sie anschließend sehenden Auges nach massivem Lobbyeinfluss torpediert", erklärte Müntefering im Spiegel.

Trotz des Kabinettsbeschlusses, allen Briefträgern einen Mindestlohn zu gewähren, habe Merkel den Widerstand der Union nicht gebrochen, sondern unterstützt. Müntefering war am Dienstag überraschend zurückgetreten. Er gab dafür private Gründe an.

Die SPD sieht nach eigenen Angaben noch Chancen auf eine Verständigung mit der Union. Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck erklärte in der Bild am Sonntag: "Ich warte auf Vorschläge - die Kanzlerin hat gesagt, das letzte Wort sei nicht gesprochen."

Den Wortbruch-Vorwurf gegen Merkel erneuerte Struck nicht ausdrücklich. "In langen Verhandlungsnächten legt man nicht jedes Wort auf die Waagschale. Das war ein einmaliger Ausrutscher der Kanzlerin. Hoffe ich jedenfalls", sagte er dem Focus. Die Geschäftsgrundlagen der Großen Koalition seien dadurch nicht gefährdet. "Es ging um einen ärgerlichen Einzelfall."

"Koalition platzen lassen"

"Die SPD hat sich auf Verabredungen zum Postmindestlohn verlassen", betonte Steinbrück im Berliner Tagesspiegel. "Es passiert nicht alle Tage, dass eine Kanzlerin Zusagen nicht einhält."

Juso-Chef Björn Böhning forderte ein Ende der Großen Koalition. "Die Union versucht uns zu demütigen - Tag um Tag. Das bricht der SPD auf Dauer das Rückgrat", sagte er. "Konsequenterweise hätte man die Koalition an der Mindestlohnfrage platzen lassen müssen."

Kauder steuert gegen

Drohungen aus der SPD, die Koalition zu beenden, seien unrealistisch, sagte Kauder der Berliner Zeitung. "Die Menschen wollen, dass wir unsere Arbeit machen und nicht parteitaktische Spielchen spielen."

Der CSU-Vorsitzende Erwin Huber warnte davor, das Ende der Koalition herbeizureden. "Wir regieren bis 2009, auch wenn das mit einer linkspopulistischen SPD schwieriger wird", sagte er der Wirtschaftswoche.

Struck und Beck wiesen Spekulationen über ein vorzeitiges Ende der Koalition zurück: "Beide Seiten wollen nicht raus. Es gibt keinen Grund dafür", sagte Struck. Das Bündnis werde mit Sicherheit bis zur Wahl 2009 halten, meinte Beck. SPD-Vize Andrea Nahles warnte vor einer Zuspitzung der Lage. "Es darf nicht zu einem Tontaubenschießen kommen. Die eine Seite lässt eine Taube steigen, die andere schießt sie ab."

© Reuters/dpa/plin/berr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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