Attacke auf Bush in Bagdad:Symbol Schuh

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Ein irakischer Journalist wirft mit Schuhen nach US-Präsident Bush. Dies ist im Nahen Osten eine deutliche Aussage: Vor fünf Jahren schleuderten Iraker Sandalen auf Statuen von Saddam Hussein.

Matthias Kolb

So hatte sich George W. Bush seinen letzten Besuch in Bagdad nicht vorgestellt. Während der Pressekonferenz mit Ministerpräsident Nuri al-Maliki bewarf der irakische Journalist Montasser al-Saidi den US-Präsidenten mit seinen Schuhen. Einer flog über Bushs Kopf und knallte gegen die Wand hinter ihm, auch der andere verfehlte sein Ziel. Während er den Schuh schleuderte, rief der Journalist: "Das ist der Abschiedskuss, du Hund."

Bagdad im Dezember 2008: Der Journalist wirft mit Schuhen nach US-Präsident George W. Bush. (Foto: Foto: AP)

Hunde gelten im Islam als unrein. So heißt es etwa in den Hadithen, den Worten und Taten, die dem Propheten Mohammed zugeschrieben werden, dass Engel kein Haus betreten würden, in dem sich Hunde befänden.

Allerdings sei diese Meinung im Nahen Osten weitverbreitet, betont der Islamwissenschaftler Thomas Hildebrandt von der Universität Bamberg: "Auch ein irakischer Christ könnte diesen Begriff als Beleidigung verwenden." Es seien jedoch noch schlimmere Flüche und Verwünschungen, wie "Hurensohn", denkbar.

Die Schuh-Attacke auf Bush ruft jedoch Erinnerungen an den 9. April 2003 hervor: Damals stürzte die monumentale Statue von Saddam Hussein in Bagdad und Hunderte wütende Iraker bewarfen das Denkmal des Diktators mit Steinen und Schuhen.

BBC, CNN, al-Dschasira und al-Arabiya zeigten damals Szenen wie diese: Ein wütender Mann zieht seine Schuhe aus und schlägt mit ihnen heftig auf ein Porträt Husseins ein. Erst hält er das Bild in die Höhe, dann schlägt er so lange auf das Gesicht des Despoten ein, bis das Plakat in Stücke zerrissen ist.

Die Schuh-Symbolik

"Schuhe gelten im Nahen Osten per se als dreckig", erläutert Hildebrandt und betont auch, dass dies nichts mit der Religion des Islam zu tun habe. Während in Deutschland mitunter Gäste ihre sauberen Schuhen anlassen dürfen, würde niemand im Irak, in Syrien oder im Libanon mit Straßenschuhen die Wohnung des Gastgebers betreten: "Dies wäre eine grobe Unhöflichkeit."

Die Symbolik der "dreckigen Schuhe" verdeutlicht Hildebrandt, der lange in der libanesischen Hauptstadt Beirut gelebt hat, mit einem weiteren Beispiel: Bei antiwestlichen Demonstrationen würden Protestierende häufig über israelische oder US-amerikanische Fahnen laufen, um diese zu beschmutzen.

In Damaskus oder Beirut finden sich Davidsterne auf der Straße, um Israel so herabzusetzen. "Auf Araber wirkt es befremdlich, dass im Büro des Präsidenten das Wappentier auf dem Teppich zu sehen ist, über den jeder laufen muss", berichtet der Islamwissenschaftler.

Vor einigen Jahren sorgte eine mehrteilige TV-Dokumentation über den Libanonkrieg für hohe Einschaltquoten bei al-Dschasira. Hildebrandt erinnert sich an eine Episode, in der ein Streit innerhalb der Palästinenserorganisation Fatah geschildert wurde.

Kämpfer, die sich von Jassir Arafat abgewandt hatten, zogen mit einem gerahmten Porträt des Palästinenserführers durch die Straßen, an dessen Ecken mit Schnürsenkeln Straßenschuhe befestigt waren. "Dieses Bild war nur kurz in einem Vorspann zu sehen", erinnert sich Hildebrandt, doch es genügte für den greisen Jassir Arafat, um mit der Schließung des Büros von al-Dschasira in Ramallah zu drohen.

Im Irak sind die Reaktionen auf die Schuh-Attacke gespalten: Der Vorsitzende der irakischen Organisation für Pressefreiheit, Ziad al-Adschili, verurteilte das "unprofessionelle Auftreten". Andere irakische Journalisten entschuldigten sich ebenfalls für das Verhalten ihres Kollegen.

Regierung in Bagdad fordert Entschuldigung

Die irakische Regierung verurteilte die Attacke als "schändlichen Akt" und forderte al-Saidis Arbeitgeber zu einer Entschuldigung auf. Die Verantwortlichen des Senders verlangten von den Behörden, al-Saidi freizulassen und beriefen sich dabei auf die "Demokratie und Meinungsfreiheit, die die US-Regierung dem irakischen Volk versprochen hat". Tausende Iraker demonstrierten ebenfalls für die Freilassung des Mannes.

Die regierungskritische irakische Nachrichtenagentur INA erklärte: "Wir gratulieren ihm zu seinem mutigen Auftreten." Der sunnitische Rat der Religionsgelehrten sprach von einem "historischen Moment", in dem Bush und der Weltöffentlichkeit gezeigt worden sei, "was die Iraker von der Besatzung halten".

Auch die Bewegung des radikalen Schiitenpredigers Moktada al-Sadr lobte die "spontane Aktion eines irakischen Bürgers, der seine Unzufriedenheit gezeigt hat".

Im Bagdader Stadtteil Sadr City gingen Hunderte Menschen auf die Straße und drohten Bush mit weiteren Schuhwürfen. Auf zwei vorbeikommende Fahrzeuge der US-Armee prasselten reihenweise Schuhe nieder.

© sueddeutsche.de/dpa/AFP/Reuters - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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:Der Schuhwerfer von Bagdad

Ein irakischer Journalist hat US-Präsident Bush bei dessen letzter Visite in Bagdad mit Schuhen beworfen - und dabei sein Ziel verfehlt. Der Angriff in Bildern

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