Attac und die Steueroasen:Große Koalition der Kapitalismuskritiker

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Wie Heiner Geißler (CDU) und der SPD-Linke Björn Böhning als Attac-Aktivisten eine neue Ordnung der internationalen Finanzwelt fordern.

Daniel Steinmaier, Berlin

Heiner Geißler blickt müde über seine Lesebrille, die Stirn in tiefen Falten. "Und jetzt begrüße ich Heiner Geißler, unser prominentestes Mitglied", sagt die Attac-Pressesprecherin. Der ehemalige CDU-Generalsekretär trat im Mai 2007 unter Protesten seiner eigenen Partei in das globalisierungskritische Netzwerk ein.

Heiner Geißler (r.) sinnierte an der Seite des Attac-Steuerexperten Giegold über die Gier auf den Finanzmärkten. (Foto: Foto: dpa)

Heute sitzt er neben dem SPD-Parteilinken Björn Böhning auf dem Podium der Pressekonferenz, in der Attac einen Aktionsplan zur Schließung von Steueroasen präsentiert. Eine interessante große Koalition der Kapitalismuskritik, die sich da heute präsentiert.

Mühsam steht Heiner Geißler auf und setzt sich vor die Mikrofone der Pressevertreter. Er hält sich gar nicht erst mit den Steueroasen auf, sondern steigt direkt in die globale Kapitalismuskritik ein. "Schon Isaac Newton hat mit Finanzen spekuliert", sagt Geißler, und der sei "einer der intelligentesten Menschen der Weltgeschichte". Dann habe er, als damals die sogenannte "Südseeblase" platzte, viel Geld verloren. Geißler schließt daraus: "Intelligenz ist kein Schutz vor Habgier."

Für Geißler ist das weltweite Finanzsystem "durch die Gier nach Geld" gekennzeichnet. Für die Mehrheit der Menschheit sei dieses System das falsche. Deshalb fordert er den "dritten Weg": eine "internationale ökosoziale Marktwirtschaft".

Björn Böhning, Sprecher der SPD-Linken und wie Geißler Attac-Mitglied, schließt sich seltsam übereinstimmend an. Er spricht über den "Bet- and Win-Kapitalismus, indem das Roulettespielen zum Tagesgeschäft gehört". Er beklagt, die Finanzelite habe kein Schuldbewusstsein.

Sven Giegold ist der Steuerexperte von Attac und orientiert sich hier lieber am Machbaren. Zumindest dem, was aus Sicht von Attac machbar ist, um die Steueroasen der Reichen zu veröden. Absurd findet er etwa, dass es den Steuerfahndern nicht möglich sei, "in eine Bank zu gehen und nach allen Transaktionen nach Liechtenstein" zu fragen. Denn da gelte bisher ein Bankgeheimnis, dass Steuerflüchtlinge schütze. "Für Hartz-IV-Empfänger sieht das bekanntlich anders aus", sagt Giegold.

Vor allem müsse für mehr Transparenz gesorgt werden. "Steueroasen gehören auf eine Schwarze Liste", sagt Giegold. "Wer sein Geld in eine Oase schafft, muss die Transaktion in jedem Fall offen legen." Wenn das nichts hilft, sollen solche Überweisungen zur Not ganz unterbunden werden.

Attac habe im Übrigen schon lange vor dem Fall Zumwinkel gefordert, endlich etwas gegen die Steuerflucht zu tun. Das, sagt Giegold, sei keine Frage der Möglichkeit, sondern "eine Frage des politischen Willens". Was die Bundesregierung Liechtenstein abverlangt habe, ist aus seiner Sicht nicht ausreichend.

Und dann spielt plötzlich wieder die CDU-Spendenaffäre eine Rolle, in der es ja auch regen Kontakt zu Liechtenstein gegeben haben soll. Ein Zuhörer fragt, ob nicht gerade die CDU in dem Fall als schlechtes Beispiel für Steuerkriminelle vorangegangen sei?

Heiner Geißler holt etwas aus: Der Verfassungsgrundsatz, dass Parteien die Herkunft ihrer Spenden offen legen müssten, habe ja seinen Sinn, "weil die Nationalsozialisten von der deutschen Schwerindustrie finanziert wurden", erklärt Geißler. Dieser Verfassungsgrundsatz "ist auch von meiner Partei massiv verletzt worden".

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