Atomwaffen:Konferenz mit Spaltkraft

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Die Atommächte verlangen Sanktionen gegen Nordkorea und Iran - für sich selbst aber wollen sie mehr Freiraum.

Von Stefan Ulrich

An diesem Montag wird in New York die gigantische Tagungsmaschinerie der Vereinten Nationen angeworfen. Erst sprechen Staatsmänner, dann werden sich Delegationen aus mehr als 180 Staaten wochenlang balgen, und schließlich wird es, vielleicht, ein Abschlussdokument geben.

Eine weitere Luftnummer des internationalen Konferenz-Zirkus also? Nein, betonen die Experten: Diesmal gehe es um einiges - um das Überleben der Menschheit.

Ziel der Konferenz ist es, den wichtigsten globalen Abrüstungs-Pakt zu retten.

Der Atomwaffensperrvertrag von 1970 erkennt die USA, Frankreich, Großbritannien, Russland und China als offizielle Nuklearmächte an. Die Fünf sind jedoch verpflichtet, ihre Arsenale baldmöglichst völlig abzurüsten. Alle anderen Staaten müssen auf Nuklearwaffen verzichten. Sie erhalten dafür Unterstützung bei der zivilen Nutzung der Atomenergie.

Obwohl sich in der Folgezeit Israel, Indien und Pakistan - die keine Mitglieder des Pakts sind - die Bombe verschafften, wird der Vertrag als erfolgreich bewertet. Der amerikanische Rüstungsexperte George Brunn schätzt, ohne das Abkommen besäßen heute 30 bis 40 Staaten Atomwaffen.

Die Konferenz droht zu scheitern

Liefert der Sperrvertrag also den Beweis, dass die Menschheit zu klug ist, sich selbst zu vernichten? "Noch vor drei Jahren hätte ich gesagt: Die Dinge sind alle im grünen Bereich", meint Harald Müller, einer der Abrüstungs-Berater von UN-Generalsekretär Kofi Annan.

"Heute aber besteht die Gefahr, dass das Vertragssystem völlig erodiert." Alle fünf Jahre treffen sich die Staaten zu einer Überprüfungskonferenz. "Doch die Stimmung war nie so schlecht wie diesmal." Die Konferenz drohe zu scheitern. Dann könnte ein nuklearer Wettlauf beginnen.

Der Pessimismus des Leiters der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung speist sich aus zwei Quellen. Zum einen sind da Nordkorea und Iran, die mit dem atomaren Feuer spielen.

Zum anderen beginnen die offiziellen Atommächte vom Tugendpfad der Abrüstung abzukommen. Zusammen ergibt das genug Spaltmaterial, um die Nuklearkonferenz zu sprengen.

Die Amerikaner stapeln schon tief: Eine Schlusserklärung im Konsens sei nicht so wichtig, Hauptsache man rede miteinander. Das klingt defensiv, doch die Bush-Regierung verfolgt eine offensive Agenda. Die USA streben zunächst eine scharfe Erklärung gegen Nordkorea an. Das Regime in Pjöngjang hat den Atomwaffensperrvertrag vor zwei Jahren gekündigt.

Es behauptet nun, im Besitz mehrerer Atombomben zu sein. Die USA warnten am Wochenende ihre Verbündeten sogar, in den nächsten Wochen könnte es einen ersten unterirdischen Atomtest geben. Da Nordkorea nicht in New York am Tisch sitzt, könnte Amerika durchaus eine schneidige Schlusserklärung gegen den Paria-Staat erreichen.

Die USA aber wollen mehr. Sie weisen auf eine fatale Schwachstelle des Sperrvertrags hin. Ein Land wie Nordkorea kann jahrelang heimlich an einem Atomwaffenprogramm basteln, um schließlich den Kontrakt aufzukündigen und kurz darauf - ganz legal - die Bombe zu präsentieren.

Dieser Weg soll versperrt werden. So könnten die Vertragsstaaten bestimmen, dass bei Kündigung durch ein Land sofort eine Krisenkonferenz einberufen wird, die den Abtrünnigen zurückholt oder Strafen verhängt.

Noch schwieriger wird es im Fall Iran. Das Land untersteht dem Sperrvertrag. Das hinderte es aber nicht daran, internationale Kontrolleure jahrelang zu täuschen. Die Bush-Regierung argwöhnt wohl zu Recht, Teheran arbeite unter dem Deckmantel eines zivilen Atomprogramms am Bau der Bombe.

Schwachstelle des Sperrvertrags offen gelegt

Ein scharfer Verweis der Konferenz dürfte aber daran scheitern, dass Iran in New York dabei ist. Immerhin kommt dem Mullah-Staat das "Verdienst" zu, eine weitere Schwachstelle des Sperrvertrags offen gelegt zu haben:

Bestimmte Techniken zum Bombenbau - Urananreicherung und Plutoniumproduktion - lassen sich als Elemente ziviler Atomenergieprogramme tarnen. Um dagegen vorzugehen, schlägt der Chef der Atomenergiebehörde Mohammed el-Baradei ein fünfjähriges weltweites Moratorium vor.

Pikanterweise sind aber sowohl die USA als auch Iran dagegen. Beide Staaten wollen nicht auf die gefährliche Technik verzichten. Washington schlägt allerdings vor, den meisten Staaten das Recht auf Entwicklung dieser Techniken zu nehmen. Nur "zuverlässige Länder" sollen Brennelemente erzeugen und andere Länder damit versorgen dürfen.

Dieser Vorstoß aber verstimmt die nuklearen Habenichtse. Sie sehen nicht ein, auf ihre Rechte zu verzichten, während die Atomstaaten eigene Verpflichtungen verletzen. So haben die USA und Frankreich erklärt, frühere Abrüstungs-Zusagen seien überholt.

Nachdenken über Mini-Nukes

Die Bush-Regierung denkt über "einsetzbare" Atombomben wie Mini-Nukes nach. Zudem behauptet sie, nicht die Atomwaffen seien das Problem, sondern die Frage, wer sie besitze. Ein Zwei-Klassen-Recht aber lehnt die Mehrheit der Vertragsstaaten ab.

Dieser Interessenkonflikt droht den Sperrvertrag zu zerstören. Denn wenn es nicht gelingt, sich zu einigen und dann gemeinsam Staaten wie Nordkorea und Iran an der Atomrüstung zu hindern, werden bald andere Länder in Südostasien und im Nahen Osten nachziehen.

Dies wiederum dürfte Mittelmächte wie Brasilien oder Südafrika aus Prestigegründen dazu verleiten, ebenfalls zu Bomben-Staaten aufzusteigen.

Experten wie Professor Müller sehen dennoch Hoffnungszeichen. Zum einen gibt es Hinweise, dass die Bush-Regierung den Wert multilateraler Übereinkommen allmählich schätzen lernt.

Zum anderen erwiesen sich die Prognosen für frühere Tagungen zum Sperrvertrag in der Regel als falsch. "Solche Konferenzen haben eine irrwitzige Eigendynamik", sagt Müller. Womöglich sehen am Ende doch noch alle ein, dass es keine Alternative zum Sperrvertrag gibt.

© SZ vom 2.5. 2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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