Atomstreit:Die Mullahs fühlen sich stark

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Irans Regierung hält einen amerikanischen oder israelischen Angriff derzeit nicht für möglich. Denn Stabilität im Irak und Afghanistan ist ohne den guten Willen der Iraner schwer zu erlangen. Sie glauben also, sich die Konfrontation leisten zu können.

Rudolph Chimelli

Die Amerikaner sind überall: in der Türkei, Aserbeidschan, Zentralasien, Afghanistan, Pakistan, Kuwait, Katar und vor allem im Irak. Iran fühlt sich von Vorposten einer Weltmacht umstellt, die nie ein Geheimnis daraus gemacht hat, dass sie einen Regimewechsel in Teheran wünscht.

Irans neuer Präsident Mahmud Ahmadi-Nedschad. (Foto: Foto: dpa)

Eine unmittelbare militärische Bedrohung sehen die Iraner trotz der Einkreisung nicht. Mit dem unerledigten Krieg im Irak hat der amerikanische Präsident George W. Bush nach ihrer Einschätzung zunächst genug Sorgen. Die Israelis, die als Helfer der USA ebenfalls für militärische Schläge gegen Iran in Frage kommen, sind für absehbare Zeit mit dem Rückzug aus Gaza beschäftigt.

Aber die Verschärfung des Atomdisputs mit den Europäern bietet Washington eine willkommene Gelegenheit, den Streit zunächst politisch zu eskalieren.

Weshalb die Iraner gerade zum Amtsantritt ihres neuen Präsident Mahmud Ahmadi-Nedschad das Risiko eingehen, es sich auch mit den Europäern zu verderben, lässt sich nur durch die Interessenlage erklären. Sie glauben es sich leisten zu können.

Denn ungeachtet der verdorbenen Beziehungen zu den USA haben ihnen die Amerikaner zwei Feinde vom Hals geschafft, den Iraker Saddam Hussein an ihrer langen Westgrenze und die afghanischen Taliban, ein den Schiiten feindliches Regime des sunnitischen Fundamentalismus.

Zum ersten Mal seit einem halben Jahrhundert bekommen die Iraner im neuen Irak einen freundlichen Nachbarn. Die praktische Zusammenarbeit zwischen Teheran und Bagdad wird von Monat zu Monat enger. Es erscheint wie ein Paradox, dass sich diese Kooperation unter US-Protektorat entwickelt, ist es aber nicht.

Denn Stabilität im Irak ist ohne den guten Willen der Iraner schwer zu erlangen. Und nach Luftschlägen gegen Atomanlagen in Isfahan oder Natanz oder das Atomkraftwerk Buschir wäre dieser gute Wille dahin. Das Störpotenzial Teherans im Irak sowie über die gesinnungsverwandte Hisbollah an der Levante ist beträchtlich.

Diese negativen Faktoren wiegen viel schwerer als die Freundschafts-Beteuerungen beim jüngsten Besuch des syrischen Präsidenten Baschar el-Assad. Hier handelt es sich um ein Bündnis des Blinden mit dem Lahmen. Keiner verfügt über ein operatives außenpolitisches Potenzial.

Ausgesprochen positiv entwickelt sich für Iran das Verhältnis zu Süd- und Ostasien. Der Plan für eine Gasleitung nach Indien (über Pakistan) ist weit fortgeschritten. Chinas enormer Energiebedarf orientiert sich mit Vor-rang nach Iran. Die Japaner sind seit langem in Irans Öl-Industrie engagiert.

Über die Art, wie seine Vorgänger die Gespräche mit den Europäern über einen Atomkompromiss führten, sagt der neue iranische Verhandlungsführer Ali Laridschani, sie hätten der Dreiergruppe aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien mit dem Stillhalteabkommen "eine seltene Perle gegeben und dafür ein Bonbon bekommen".

Laridschani wird als Sekretär des Nationalen Sicherheitsrats Nachfolger des Pragmatikers Hassan Rouhani, der an einer Einigung interessiert war und einen Bruch mit den Europäern vermeiden wollte. Schon bisher war Laridschani außenpolitischer Berater des geistlichen Führers Ali Chamenei. Seine Stimme ist die Stimme seines Herrn.

© SZ vom 10.8.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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