Atommüll:Die Endlagersuche wird politisch

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Wohin mit dem Zeug? Der Müll braucht ein Endlager. (Foto: Jens Wolf/dpa)

Ganz unabhängig sollte ein Gremium den Prozess begleiten. Nun benennt Sachsen einen neuen Experten - und das Gremium bangt um seinen Ruf.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Die Schöpfer der neuen Endlagersuche wollten wirklich alles richtig machen. Nicht noch einmal sollte am Ende ein Gorleben stehen, dessen Auswahl in Hinterzimmern stattfand - und das schon deshalb nicht mehr durchzusetzen war. Deshalb schufen Experten, Bund und Länder das "nationale Begleitgremium", kurz NBG: für die "vermittelnde und unabhängige Begleitung des Standortauswahlverfahrens". Das Gremium soll Einsicht in alle Unterlagen und Akten bekommen, es soll Rat bei Experten einholen dürfen und seinerseits Ratschläge abgeben, alles ganz unabhängig. Doch eine Neubesetzung könnte diese Unabhängigkeit nun herausfordern.

Noch vor der Sommerpause sollen Bundestag und Bundesrat sechs weitere Mitglieder in das derzeit neunköpfige Gremium schicken. Das Vorschlagsrecht liegt bei den Bundesländern. Unter den sechs "anerkannten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens" findet sich, auf Vorschlag Sachsens, auch Wolfram Kudla. Kudla ist Professor an der Bergakademie Freiberg und lehrt dort Bergbau. Er war schon Mitglied der Endlagerkommission, die das ganze Suchverfahren ausgeheckt hat, und gilt als Spezialist für Salzstöcke. Allein das machte ihn Gorleben-Gegnern suspekt - schließlich sollte auch dort der Atommüll im Salz gelagert werden. Vor allem aber wurden und werden Forschungsvorhaben Kudlas von Bundesministerien gefördert. Das macht die Besetzung zum Politikum.

Denn nach Auffassung des Bundesumweltministeriums bestehen gegen die Berufung Kudlas "durchgreifende rechtliche Bedenken". Das NBG müsse "schon jeden Anschein vermeiden, eines seiner Mitglieder könnte sich von anderen, wirtschaftlichen Interessen im weitesten Sinne und die etwaige Aussicht auf künftige Forschungsbeauftragung leiten lassen". In einem Schreiben an seinen Kollegen im Wirtschaftsministerium warb Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth schon Anfang Juni für eine "gemeinsame Sichtweise zu dem daraus folgenden Ausschluss einer Berufung". Doch die gemeinsame Sichtweise konnten beide Häuser nicht finden.

Mittlerweile kommt Widerstand auch aus dem Begleitgremium selbst. Alle neun Mitglieder seien in dieser Frage einer Meinung, sagt der Co-Vorsitzende des NBG, der einstige Bundesumweltminister Klaus Töpfer. "Wir legen allerhöchsten Wert darauf, dass das Kriterium der völligen Unabhängigkeit gewährleistet ist." Sollte sich einzelnen Mitgliedern eine Befangenheit unterstellen lassen, "würde das Gremium in seiner Funktion und Wirkungsmöglichkeit deutlich beschnitten". Zuvor hatte das Land Baden-Württemberg einen Vorschlag aus eben diesem Grund zurückgezogen. Es wollte eine Wissenschaftlerin des Öko-Instituts in das Gremium entsenden - das aber ebenfalls von Aufträgen profitiert. Das Land benennt nun einen Experten, der kurz vor dem Ruhestand steht.

Doch alle Interventionen könnten ins Leere laufen. Die Regierung kann in der Causa nichts unternehmen, den Wahlvorschlag verabschieden Bundesrat und Bundestag. Im Bundesrat, der sich Anfang Juli damit befassen will, gilt die Annahme als sicher. Schon, weil die Konferenz der Ministerpräsidenten den Vorschlag vorige Woche abgesegnet hat - mit Kudla. Einzig in der SPD regt sich Widerstand. Zwar gelte das Vorschlagsrecht des Bundesrates, sagt SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch. "Wenn aber bei der Benennung einer Person durchgreifende rechtliche Bedenken bestehen, kann es keinen Automatismus geben." Schließlich sei das Ziel des NBG, Vertrauen zu schaffen. "Dieses Ziel", sagt Miersch, "dürfen wir nicht leichtfertig aufs Spiel setzen."

© SZ vom 22.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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