Atommüll:Das Prinzip Zufall

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Ein neues Gremium soll die Vorbereitungen der Endlagersuche überwachen.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Der "Zufallsbürger" erfreut sich unter Soziologen gerade großer Beliebtheit. Ausgewählt aus einer riesigen Zahl von Bürgern, soll er gewissermaßen die Mitte der Gesellschaft repräsentieren. Seit die öffentliche Beteiligung bei Großprojekten wie Stuttgart 21 so folgenschwer scheiterte, finden sich Zufallsbürger vermehrt in öffentlichen Gremien wieder - und das womöglich demnächst auch rund um die Endlagerung von Atommüll.

Darauf läuft ein Gesetzesvorschlag hinaus, den Experten aller im Bundestag vertretenen Parteien in der nächsten Woche in die Endlagerkommission einspeisen wollen. Demnach soll schon im Juli ein "gesellschaftliches Begleitgremium" entstehen, "als Wächter des Prozesses der Standortauswahl". Neben zwei dieser Zufallsbürger sollen Bundestag und Bundesrat weitere sechs Mitglieder vorschlagen, die "gesellschaftlich hohes Ansehen genießen", heißt es in einem Entwurf für den entsprechenden Gesetzespassus. Auch ein Vertreter der "jungen Generation" sei in das Gremium zu berufen.

"Gesellschaftlich hohes Ansehen" und Jugend sind Auswahlkriterien

Die Beteiligung der Öffentlichkeit zählt zu den wunden Punkten der Vergangenheit. Bei der Auswahl des Salzstocks Gorleben hatten Betroffene wenig mitzureden; der Protest verlagerte sich in der Folge auf die Straße. Seit Monaten berät eine Arbeitsgruppe der Kommission daher über Formen der öffentlichen Beteiligung. Das Problem: "Betroffene" wird es erst dann geben, wenn Regionen benannt sind, die für ein künftiges Endlager in Frage kommen. Die 34-köpfige Endlagerkommission leistet dafür die Vorarbeit, indem sie etwa Kriterien aufstellt, denen ein Atommüll-Lager genügen soll. Bis Ende Juni muss sie einen Endbericht vorlegen, der sowohl einen Kriterienkatalog als auch Vorschläge für die Organisation der Endlagersuche enthält. Umsetzen muss dies aber anschließend der Gesetzgeber. Das kann dauern. "Deshalb brauchen wir ein Begleitgremium schon jetzt", sagt Matthias Miersch, Obmann der SPD-Fraktion in der Kommission. "Wir müssen verhindern, dass ein Loch entsteht." Zwar sieht auch das geltende Gesetz für die neue Endlagersuche ein solches Begleitgremium vor - allerdings erst, wenn der Bundestag die Vorschläge der Kommission in Gesetze gegossen hat. Auch von Zufallsbürgern und junger Generation ist bisher nirgends die Rede. Juristen warnen nun vor einer Parallelstruktur, die letztlich staatliche Institutionen aushöhle. "Das vorgesehene Gremium wird nicht hilfreich, sondern störend sein", warnt der Hamburger Umweltrechtler Jörg Kuhbier.

Doch in der Kommission, die derzeit fieberhaft an ihrem Endbericht arbeitet, zeichnet sich breite Zustimmung dafür ab. Es gehe darum, den weiteren Prozess auch nach Ende der Kommissionsarbeit sorgsam im Auge zu halten, sagt der Geologe Ulrich Kleemann, selbst Kommissionsmitglied. "Wenn man da nicht dranbleibt, verliert man unheimlich schnell den Faden."

© SZ vom 11.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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