Atommüll:Blütenweiße Landkarte

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Wohin mit dem Atommüll? An der Suche nach der Antwort auf diese Frage ist Bayerns früherer Ministerpräsident Günther Beckstein beteiligt. (Foto: Jens Wolf/dpa)

Die Suche nach einem Atommüllendlager stockt, dazu trägt auch der Datenschutz bei. Ein Gesetz soll nun Abhilfe schaffen. Eile scheint die Regierung aber nicht zu haben.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Es ist still geworden um den Atommüll. Keine Demos entlang der Castor-Transporte, keine Traktorblockaden in Gorleben, keine Kommissionen, die sich über die Suche nach einem Endlager die Köpfe heiß reden. Die Suche läuft.

Zuständig dafür ist momentan die Bundesgesellschaft für Endlagerung, kurz BGE, eine staatseigene Firma im niedersächsischen Peine. Sie soll in einem ersten Schritt nach "Teilgebieten" suchen, in denen theoretisch irgendwann ein Endlager entstehen könnte. Beseelt ist die Suche von der Idee einer "weißen Landkarte": Überall in Deutschland soll, mal rein theoretisch, ein Endlager entstehen können; nichts soll mehr auf Vorfestlegungen à la Gorleben hindeuten. Nur: Wer weiß eigentlich, wie es unter dieser weißen Landkarte aussieht? Wo die Geologie überhaupt ein Endlager tief unter der Erde zulässt?

Entsprechende Daten gibt es, sie liegen bei den geologischen Diensten der Länder. Allerdings wurden sie meist nicht von Amts wegen erhoben, sondern von Unternehmen. Etwa, wenn sie irgendwo im Land nach Erdöl oder Erdgas suchten. Die geologischen Dienste haben an diesen Erkenntnissen teil, so sammeln sie jede Menge Ahnung vom tiefen Untergrund der weißen Landkarte. Dumm nur, dass es sich dabei teils um Geschäftsgeheimnisse handelt, die dem Datenschutz unterliegen.

Was das konkret bedeutet, bekommen die Experten der BGE seit Monaten zu spüren. Von manchen Landesämtern kommen gar keine Daten, andere liefern sie nur in derart grober Auflösung, dass sie kaum Schlüsse über die Lage unter Tage zulassen. "Da sind Bohrdaten so gerundet, dass sie faktisch unbrauchbar sind", heißt es bei der Bundesfirma. Kurzum: Geeignete Regionen für ein Endlager lassen sich kaum finden, nicht einmal annäherungsweise. Die Landkarte bleibt blütenweiß.

Abhilfe könnte ein Gesetz über den Zugang zu geologischen Daten der Landesämter schaffen

Dabei ist die zügige Suche nach einem Endlager erklärtes Ziel der Bundesregierung. Bis 2031, so steht es im Koalitionsvertrag, solle der Standort feststehen: "Dafür ist als nächster Schritt die schnellstmögliche Festlegung der übertägigen Erkundungsstandorte erforderlich." Schnellstmöglich. Ohne entsprechendes geologisches Wissen wird das allerdings schwer. Abhilfe könnte ein Gesetz über den Zugang zu diesen Daten schaffen, auch dieses Vorhaben findet sich im Koalitionsvertrag: Es solle "rasch" verabschiedet werden.

Im Kern geht es darum, rechtliche Sicherheit zu schaffen, auch für die Landesbehörden. Sie wollen nicht dafür haften, dass sie die Daten Dritter einfach so weitergereicht haben; schließlich befinden sie sich nach wie vor in Privateigentum, wenn sie von Unternehmen erhoben wurden. So entsteht das Daten-Patt. Von der Eilbedürftigkeit ist allerdings wenig zu spüren. Als sich die Grünen kürzlich nach dem Stand der Dinge erkundigten, erhielten sie eine verblüffende Antwort. Denn zum Referentenentwurf für das entsprechende Gesetz, so beschied das Bundesumweltministerium, solle "voraussichtlich noch in diesem Jahr die Ressortabstimmung eingeleitet werden". Die Federführung liege beim Bundeswirtschaftsministerium. Dort verweist man auf die komplizierte Materie und "erheblich variierende Sachverhaltskonstellationen". Selbst Dinge wie die kürzlich in Kraft getretene Datenschutzgrundverordnung seien zu beachten. Bis das Gesetz in Kraft tritt, kann locker noch ein Jahr ins Land ziehen.

Für den engen Endlagerzeitplan ist das ungünstig. "Gäbe es das Gesetz, kämen wir wesentlich leichter an die Daten", heißt es bei der BGE. "Dann müssten die Länder nicht mehr fürchten, für die Herausgabe in Regress genommen zu werden." Obendrein drängt die Zeit, denn schon Mitte 2020 soll ein Bericht vorliegen, auf dessen Basis dann die potenziellen Endlagerregionen ausgewählt werden sollen. Das ist zwar noch zwei Jahre hin - für eine fundierte Basis bei einem derart heiklen Thema aber ist das schon jetzt ambitioniert. Grünen-Atompolitikerin Sylvia Kotting-Uhl, die dem Umweltausschuss vorsitzt, verlangt deshalb eine Verabschiedung des Gesetzes sogar noch vor der Sommerpause. "Die Verzögerung schadet der Endlagersuche", sagt sie. Dies sei "inakzeptabel".

Bei Null anfangen muss die Bundesregierung nicht, schon die Vorgängerkoalition hatte an dem Geowissenschaftsdatengesetz gearbeitet. Seinerzeit war es Teil einer Regierungsinitiative. Ihr Titel: "Open Data".

© SZ vom 05.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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