Atomkonflikt:Pjöngjang schweigt, die Welt rätselt

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Nordkoreas Diktator Kim Jong-un hat US-Präsident Donald Trump zum Gipfeltreffen eingeladen. Es war ein ziemlich einmaliger Vorgang in der internationalen Diplomatie - doch nun stellt sich die Frage: Wie geht es weiter?

Von Christoph Neidhart, Tokio

In Nordkorea herrscht Stille. Am vergangenen Donnerstag hatte Südkoreas nationaler Sicherheitsberater Chung Eui-yong vor dem Weißen Haus in Washington die Welt mit der Ankündigung überrumpelte, Diktator Kim Jong-un habe US-Präsident Donald Trump zu einem Gipfeltreffen eingeladen. Trump nahm die Einladung an. Seither hat sich Pjöngjang dazu nicht geäußert - weder über diplomatische Kanäle noch über seine Medien. Zumindest ist keine Reaktion bekannt, geheime Kontakte sind natürlich nicht auszuschließen. Auch Südkorea weiß offenbar nicht, warum Kim schweigt.

Damit bleibt der ziemlich einmalige Vorgang in der modernen Diplomatie - der Sicherheitschef eines Landes verkündet vor dem Regierungssitz eines befreundeten Landes, dessen Präsident werde sich mit dem Machthaber eines dritten, bisher feindlichen Landes zu einem Gipfel treffen - bis heute die einzige Ankündigung, dass Kim zu einem Treffen mit Trump bereit sei. Die nordkoreanische Zeitung Rodong Sinmun kommentierte lediglich die derzeit laufenden Verhandlungen zwischen Südkorea und den USA über den Schlüssel, mit dem die beiden Staaten die Kosten für die Präsenz von 28 500 US-Soldaten in Südkorea aufteilen wollen. Trump wollte Seoul ursprünglich die ganzen Kosten aufbürden.

Pjöngjangs Schweigen schürt Spekulationen. Hinzu kommt, dass derzeit keine Ausländer aus Pjöngjang berichten. Das Regime erlaubt seit einigen Wochen keine Einreise von Journalisten. Haben die Südkoreaner Kims Zusage zur Denuklearisierung übertrieben? Oder seine Bereitschaft, die amerikanisch-südkoreanischen Frühjahrsmanöver als unvermeidlich hinzunehmen, bei denen 300 000 Mann den Krieg gegen Nordkorea üben? Hätte Nordkorea weniger Öffentlichkeit gewollt, damit der Gipfel diskreter vorbereitet werden könnte? Wurde Pjöngjang von den amerikanischen Reaktionen überrumpelt, insbesondere von der scharfen Kritik an Trumps rascher Zusage aus seinem eigenem Lager? Oder sind die Gründe banaler? Für Nordkoreas Medien gibt es keinen 24-Stunden-News-Zyklus. Wenn sie etwas nicht heute melden, weil das Regime sich noch nicht geäußert hat, dann morgen. Oder übermorgen.

Damit das Gipfeltreffen überhaupt zustandekommt, braucht es bald ein Signal aus Nordkorea

Vielleicht fragen sich die Nordkoreaner auch, mit wem sie den Gipfel vorbereiten sollen. Nur Tage vor seiner Ankündigung ist Joseph Yun, im US-Außenministerium der Mann für Nordkorea, verärgert in Pension gegangen. Er hatte während des Säbelrasselns im vergangenen Jahr zweimal heimlich mit den Nordkoreanern verhandelt. US-Außenminister Rex Tillerson hielt seine Hand schützend über diese Gespräche, das Weiße Haus hatte sie gutgeheißen. Jetzt sind Yun und Tillerson weg. Das ist für ein Regime schwer verständlich, dessen Diplomaten sich oft Jahrzehnte um die gleichen Fragen kümmern.

Kaum war die Ankündigung des Gipfels publik, da fragten US-Kommentatoren: "Können wir Nordkorea trauen?" Wie die USA Kims Vertrauen gewinnen könnten, schrieben sie nicht. Kims Einlenken wurde vor allem als Erfolg der UN-Sanktionen gewertet. Das aber dürfte kaum zutreffen; Kim kündigte schon im Herbst an, sich nun auf die Wirtschaft konzentrieren zu wollen, nun da die Waffenentwicklung so weit fortgeschritten sei. Die Sanktionen bremsen den Handel, vor allem mit China. Aber Nordkorea hat immer Wege gefunden, sie zu umgehen. Kim will mit Trump auf Augenhöhe verhandeln, nicht als Bittsteller. Wenn die Südkoreaner Trump danken, dann weil sie gelernt haben, wie viel man bei ihm mit Schmeicheleien erreicht.

Ein Gipfeltreffen sollte der Höhepunkt von Verhandlungen sein, heißt es in US-Medien weiter - und nicht der Auftakt. Eine Belohnung für Nordkoreas Wohlverhalten. Doch in der internationalen Diplomatie funktionieren die Mechanismen von Strafe und Belohnung nicht. Vielmehr passt die Idee eines Auftaktgipfels zwischen Kim und Trump in die Logik Nordkoreas. Wenn der Diktator eines totalitären Regimes vorangeht und sich mit dem Staatschef des Feindes trifft, dann kommt das einer Order an den Apparat gleich. Ein Zeichen, dass Kim es ernst meint.

Trump, der zuweilen auch autokratische Reflexe verrät, hat das vielleicht besser verstanden als seine Experten. Verhandeln wird Trump mit Kim ohnehin nicht, dazu fehlen im die Kenntnisse. Wenn der Gipfel zustande kommt, dann wird er ein Signal sein. Aber damit er zustande kommt, dazu braucht es bald ein Signal aus Pjöngjang.

© SZ vom 15.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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