Arzneimittel:Morgens, mittags, abends

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Von Oktober an bekommt jeder Patient, der regelmäßig mehr als drei Medikamente einnimmt, einen sogenannten Medikationsplan. Einnahme-Fehler sollen so verhindert werden. Doch an dem Verfahren gibt es auch Kritik.

Von Guido Bohsem, Berlin

Falsch eingenommene Medikamente können beträchtlichen Schaden anrichten. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte schätzt, dass es durch vermeidbare Medikationsfehler pro Jahr zu etwa 500 000 Notaufnahmen in den Krankenhäusern kommt. Genaue Zahlen gibt es nicht, aber vermutlich sterben jährlich mehr als 10 000 Menschen an den Folgen.

Ärzteschaft und Apotheker haben sich nun auf ein Verfahren geeinigt, mit dem die Zahl der falschen Verordnungen oder Einnahmen eingedämmt werden soll. Von Oktober an soll jeder Patient, der regelmäßig mehr als drei Medikamente einnimmt, einen sogenannten Medikationsplan bekommen. Das sind nach einer Umfrage der Apothekerschaft rund 23 Prozent aller Erwachsenen, etwa 15 Millionen Menschen. In der Gruppe der Patienten, die 70 Jahre oder älter sind, nimmt sogar die Hälfte drei oder mehr Arzneimittel am Tag.

So ein Medikationsplan ist nichts anderes als ein Blatt Papier, auf dem alle Wirkstoffe, der Handelsname des Medikaments und seine Dosierung vermerkt sind. Außerdem soll noch darauf stehen, wann die Arzneimittel einzunehmen sind und warum die Patienten sie überhaupt bekommen. Der Zettel soll vom behandelnden Arzt ausgestellt werden und mit einem elektronisch lesbaren Code versehen sein.

Ziel sei es, Patienten bei der richtigen Einnahme ihrer Medikamente zu unterstützen, sagte KBV-Vorstand Regina Feldmann. Die Apotheker sollen den Plan dann gegebenenfalls ergänzen und zwar mit Arzneimitteln, die der Patient regelmäßig nimmt, aber nicht vom Arzt verschrieben bekommen hat.

Der Medikationsplan aus Papier wird allgemein belächelt, weil er durch das sogenannte eHealth-Gesetz vorgeschrieben wurde, das unter anderem die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte vorantreiben soll. Laut Vorgaben des Gesetzgebers sollen die Arzneimitteldaten nun Anfang 2018, spätestens aber Ende 2019 über die Karte abrufbar sein.

Die Ärzte wissen oft gar nicht genau um die Wechselwirkungen

Bis dahin muss das papierene Provisorium reichen. So kann der Medikationsplan beispielsweise nicht automatisch erfassen, wenn sich Patienten von verschiedenen Ärzten Medikamente verschreiben lassen. Das kann beispielsweise bei einer Abhängigkeit von Schlafmitteln der Fall sein, an der mehr als eine Million Bundesbürger leiden, die meisten davon Rentner.

Ein weiterer Kritikpunkt an dem Medikationsplan ist zudem, dass die Ärzte zumeist gar nicht genau um die Wechselwirkungen der Medikamente wissen und sie derzeit auch nicht über eine Praxissoftware verfügen, die ihnen die aktuellsten Erkenntnisse leicht und verständlich zur Verfügung stellen würde. Nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung wären die Anschaffungskosten und vor allem die Aktualisierung der Praxissysteme zu teuer. Die Apotheker hingegen haben diese Software, doch ist es eben nicht ihre Aufgabe, den Medikationsplan zu erstellen.

Kritik wird auch laut, weil auf dem Medikationsplan auch der Handelsname des Medikaments verzeichnet ist. Wegen der zahlreichen Rabattverträge der Krankenkassen tauschen die Apotheker mehr als die Hälfte der vom Arzt verschriebenen Produkte durch wirkstoffgleiche aus. Die zusätzliche Information auf dem Medikationsplan kann also im schlechtesten Fall zu einer zusätzlichen Verwirrung der Patienten führen.

© SZ vom 03.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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