ARD-Sondersendung zur RAF:Schuld und Sühne, öffentlich

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"Das Opfer und der Terrorist": Michael Buback trifft Peter-Jürgen Boock - eine Therapiesitzung zum Thema RAF.

Willi Winkler

Am 7. April 1977 brachte eine RAF-Truppe, die sich nach der im Jahr zuvor erhängt aufgefundenen Mit-Gründerin benannt hatte, den Generalbundesanwalt Siegfried Buback um. Das "Kommando Ulrike Meinhof" bezeichnete diese Bluttat, bei der auch Bubacks Fahrer und ein Polizist starben, als "Hinrichtung". Der Jurist und Schriftsteller Peter Handke schrieb nach dem "Deutschen Herbst" ein Gedicht: "Ihr seid keine Mörder, keine Verbrecher - meine Brüder -,/sondern Soldaten, Richter und Henker."

Rote Armee Fraktion
:Die Opfer, die Täter, der Terror

Im Zuge der Studentenunruhen radikalisierten sich einige Linke zur Terrorgruppe. 1970 wurde die RAF gegründet - und mordete viele Jahre lang. Ein Überblick in Bildern.

Das Gericht urteilte später "im Namen des Volkes" über die RAF und stellte den Rechtsfrieden vorläufig wieder her, den die RAF gebrochen hatte. Dem Volk und seinen Tribunen genügt das aber nicht mehr, heute muss es der Schauprozess sein, ein Mordspektakel. Das findet täglich in den Zeitungen und neuerdings auch gern im Fernsehen statt.

In der ARD-Sondersendung "Das Opfer und der Terrorist" trug Michael Buback am Mittwochabend den verständlichen Wunsch vor, mehr über den Tod seines Vaters zu erfahren. Das ehemalige RAF-Mitglied Peter-Jürgen Boock weiß wenig darüber, kann aber nach vielen früheren eine neue Version der Ereignisse des Jahres 1977 anbieten. Der ehemalige BKA-Chef Horst Herold bezeichnete Boock einst als "Karl May der RAF", aber Boock war vor allem einer ihrer Killer, den die Mitteilungsfreude früher als andere aus dem Gefängnis befreit hat.

Wer es gesehen hat, wird nicht vergessen, wie sich der ehemalige Bundesjustizminister Hans-Jochen Vogel wand, als er 2002 bei Johannes B. Kerner neben dem verurteilten Mörder Boock sitzen musste, der nach 17 Jahren Haft eine späte Karriere als RAF-Erklärer begonnen hatte. Boock stammelte damals von Schuld und schüttelte den Kopf über sein altes Ich. In der ARD durfte der so mustergültig Resozialisierte diese Rolle noch zerknirschter und schuldbeladener wiederholen und wurde dabei von Buback und dem NDR-Moderator Volker Herres unterstützt.

Herres wäre kein schlechter Nachfolger für den Sorgen-Pastor Jürgen Fliege. Hartnäckig fragte er nach "Emotionen", wollte wissen, "Was empfinden Sie?" und erlaubte der Kamera überlange Einstellungen auf die vom Leben gezeichneten Gesichter der Gäste Boock und Buback.

Geradezu liebevoll verweilte sie auf dem traurigen Gesicht des Berufsbekenners und Schauschämers Boock, um dann nicht weniger liebevoll Buback anzustarren, den inzwischen ein kaum geringeres Bedürfnis nach Aufmerksamkeit zu treiben scheint. Der Wahrheitsfindung dient das nicht, aber einem Bedürfnis wenn nicht nach Rache, so doch nach öffentlicher Reue, nach Schuld und Sühne.

So entfaltete sich in der ARD eine öffentlich-rechtliche Seelenmassage, bei der auch noch Gerichtstag über die RAF gehalten wurde. Die RAF war offensichtlich eine Krankheit und ist noch immer Anlass für eine Therapie, die einfach nicht abzuschließen ist. Bei der Bundesanwaltschaft, meldeten die "Tagesthemen" anschließend, konnte Boock wegen Krankheit nicht erscheinen, dann hatte er noch einen Betreuungstermin in Hamburg, wo im Namen der Mediengesellschaft das Fernsehschnellgericht tagte.

Das Urteil stand schon vorher fest: Die RAF geht nicht weg.

© SZ vom 27.4.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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