Arbeitsmarktpolitik:Die Bilanz stimmt, die Richtung nicht

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Sagt die SPD. Zwar gibt es mehr Plätze als Arbeitssuchende, doch ist die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen so hoch wie selten zuvor. Der Wirtschaftsminister will am Ausbildungspakt festhalten. SPD und Handelskammer fordern mehr Verpflichtungen für Arbeitgeber.

Regierung und Wirtschaft haben an die 50.000 Schulabgänger ohne Lehrstelle appelliert, sich weiter intensiv um einen Ausbildungsplatz zu bemühen. Nach Beratungen des Lenkungsausschusses für den Ausbildungspakt erklärten Bundeswirtschaftsminister Michael Glos und DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun, ihnen allen könne noch ein Ausbildungangebot gemacht werden. "Es gibt in der Summe mehr offene Ausbildungsplätze als noch nicht vermittelte Jugendliche", sagte Braun.

Arbeitgeber: "Eine Nullquote für Unvermittelte gibt es nicht"

Es gebe derzeit noch 15.000 unbesetzte Lehrstellen und 17.000 freie Plätze in außerbetrieblichen Ausbildungen, davon 5000 für Schulabgänger aus Zuwandererfamilien. Um die Stellen zu besetzen, seien in diesen Tagen deutschlandweit 288 gemeinsame Nachvermittlungsaktionen von Kammern und Agenturen vorgesehen. Auch Glos erklärte, den 50.000 noch nicht vermittelten Bewerbern stünden 60.000 Möglichkeiten gegenüber. Diese Dinge müssten zueinander gebracht werden.

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt warnte allerdings vor der Illusion, dass jeder Jugendliche vermittelt werden könne. "Eine Nullquote für Unvermittelte gibt es nicht", sagte er. Auch in Jahren mit einer großen Zahl unbesetzt gebliebener Lehrstellen habe es immer nicht vermittelte Bewerber gegeben.

Bei den Beratungen waren sich Politik und Wirtschaft einig, den Ausbildungspakt in neu verhandelter Form fortzusetzen. In einer gemeinsamen Erklärung kündigten sie an, künftig die berufliche Integration von Jugendlichen aus Ausländer- und Zuwanderungsfamilien zu einem Schwerpunkt zu machen. Dies sei auch unabdingbar zur Sicherung des Fachkräftebedarfs der Wirtschaft.

Ausgleich auf breiter Basis

Unterdessen wurden erneut Rufe nach einer gesetzlichen Lehrstellenabgabe laut. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Ludwig Georg Braun, verwies vor allem auf die 40.000 staatlich geförderten Stellen zum Erwerb von Einstiegsqualifikationen in Betrieben, die erfahrungsgemäß bis zu 60 Prozent in Lehrstellen einmünden werden.

Auch SPD-Vorstandsmitglied Ursula Engelen-Kefer forderte im Deutschlandfunk eine Umfinanzierung der Ausbildung. "Freiwillige Appelle oder Pakte reichen offensichtlich nicht aus", sagte sie. Es gebe einzelne Branchen, die über Tarifverträge einen finanziellen Ausgleich zwischen Betrieben schafften, die ausbilden und anderen die nicht ausbilden. "Das müsste auf breiter Basis eingeführt werden und dann wäre es vielleicht etwas besser, dass die Wirtschaft ihrer Ausbildungsverpflichtung auch nachkommt", so Engelen-Kefer.

Glos lehnte das strikt ab. "Das bringt keinen neuen Ausbildungsplatz", sagte er im ARD-Morgenmagazin. Auch der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle nannte eine Umlagefinanzierung den falschen Weg. Jährlich gingen 30.000 Mittelstandsbetriebe durch eine falsche Politik Konkurs, sagte er auf N24. Wenn die stattdessen überleben würden, wäre das Problem gelöst.

In der Erklärung des Lenkungsauschusses wird darauf verwiesen, dass in der für das Bildungssystem wichtigen Altersgruppe der unter 25-Jährigen bereits 27,2 Prozent aus Ausländer- oder Zuwanderungsfamilien kommen. Besorgniserregend sei, dass 41 Prozent der 25- bis unter 35-Jährigen in der Bevölkerung mit Migrationshintergrund keinen beruflichen Bildungsabschluss haben, während es bei Personen ohne diesen Hintergrund nur 15 Prozent seien.

Maßnahmen zur Änderung dieser Situation müssen nach Überzeugung des Partner des Ausbildungspaktes vor allem in Kindergarten und Schule ansetzen. Die Linksfraktion im Bundestag erklärte den Ausbildungspakt für gescheitert. Arbeitgeber und Bundesregierung müssten dies endlich anerkennen und eine gesetzliche Lehrstellenumlage einführen, erklärte die bildungspolitische Sprecherin Nele Hirsch.

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