Anwalt kritisiert Vereinbarungen:"Zehnmal geliftet, furchtbar hässlich"

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Victor Pfaff arbeitet als Anwalt in Frankfurt und ist auf Ausländerrecht spezialisiert. Der 59-jährige Jurist ist Mitglied des Ausschusses Ausländer- und Asylrecht im Deutschen Anwaltverein.

Interview: Heribert Prantl

SZ: Die Schwierigkeiten bei der Ausweisung und Abschiebung des Islamistenführers Kaplan - sie sind doch ein Beweis für die Notwendigkeit der Verschärfung des Ausländerrechts?

Pfaff: Man kann Kaplan auf der Grundlage geltenden Rechts ausweisen und abschieben, sofern nicht völkerrechtliche Hindernisse im Wege stehen - wie etwa die Folter in dem Land, in das er abgeschoben werden soll. Das geht auch jetzt schon, da brauchen wir gar keine neue Formulierung.

SZ: Mit neuen Gesetzen kann man die völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht beiseite schieben?

Pfaff: Natürlich nicht. Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention ist notstandsfest. Also selbst dann, wenn die größte Katastrophe ausbricht oder droht - foltern darf der Staat nie. Und er darf auch nicht in die Folter oder in die erniedrigende Behandlung abschieben.

SZ: Nun ist ja die von der Union geforderte und von Otto Schily propagierte Sicherungshaft aus den Eckpunkten für das Zuwanderungsgesetz gestrichen worden. Wenn man einen wie Kaplan nicht abschieben kann - was soll man mit ihm tun, wenn es Sicherungshaft zur Vorbeugung nicht gibt? Soll unser Land bei seiner Gewalt-Agitation einfach geduldig zuhören?

Pfaff: Nein. Es gibt andere Möglichkeiten. Man kann strenge Verbote auferlegen - zum Beispiel das Verbot jeglicher politischen Betätigung; man kann auch den Aufenthaltsbereich beschränken. Und wenn er dann gegen diese Verbote verstößt, macht er sich schon nach geltendem Recht strafbar, kriegt wieder eine Strafe und muss unter Umständen wieder ins Gefängnis. Wir haben doch das- selbe bei den deutschen Alt-Nazis, die immer wieder den Holocaust leugnen und dann wieder mal im Gefängnis sitzen.

SZ: Ausländer, die bei den Integrationskursen nicht ordentlich lernen, sollen künftig mit Sanktionen belegt werden.

Pfaff: Da werden wir vor den Gerichten muntere Prozesse erleben, weil das weitgehend verfassungs- oder europarechtswidrig ist. Es ist zwar wünschenswert, dass Polen oder Türken in Deutschland Deutsch lernen, aber zwingen kann man sie dazu nicht. Da stehen das EU-Recht und das Assoziationsabkommen mit der Türkei entgegen.

SZ: Was dann?

Pfaff: Das Geld, das hier für Sprach- und sonstige Integrationskurse ausgegeben werden soll, sollte ausschließlich in die Schulen gesteckt werden - um dort die Kinder sprachlich besser zu fördern. Wir sollten doch von einer Mutter, die mit 64 Jahren endlich zu ihren vier hier lebenden Kindern einreist, nicht mehr verlangen, dass sie Deutsch lernt und dass sie sich hier integriert; das ist doch rausgeschmissenes Geld.

SZ: Man vergisst über den Dingen,die zuletzt diskutiert worden sind, die strengen Vorschriften, die von Anfang an im Gesetzentwurf enthalten waren, weil Bundesinnenminister Otto Schily so der Union entgegenkommen wollte.

Pfaff: Die Einrichtung so genannter Ausreisezentren gehört dazu. Dort sollen Ausländer gesammelt werden, damit ihre Abschiebung gesichert ist. Insgesamt ist es so: Der ganze Gesetzentwurf sieht mittlerweile aus wie mancher alte Pop-Star: Zehnmal geliftet und furchtbar hässlich. Die Schönheit, die der Entwurf einmal hatte, ist vollkommen verschwunden.

SZ: Was soll eigentlich so schlimm daran sein, dass straffällige Ausländer abgeschoben werden?

Pfaff: Das trifft doch auch ganze Familien. Sie werden wieder zurückgeworfen in eine Situation, aus der sie vor 20, 30 oder noch mehr Jahren gekommen sind. Wenn ein Angehöriger dorthin zurückkehren muss, kennt er die Sprache kaum, er hat dort keine familiäre Anbindung. Die Ausweisung hier geborener Ausländer widerspricht auch unseren eigenen Integrationsbemühungen. Wir sollten die Einwanderung, die eine Folge der Anwerbung in den Jahren 1955 bis 1973 war, endlich akzeptieren, und das heißt: Wir sollten diese Menschen ausweisungsrechtlich wie EU-Bürger behandeln.

SZ: Edmund Stoiber würde jetzt sagen: Wer Räubereien begeht, wer zu Haftstrafen verurteilt wird, der zeigt ohnehin, dass er sich nicht integriert.

Pfaff: Dann war der Baulöwe Jürgen Schneider auch nicht integriert. Er hat sich doch strafbar gemacht. Haben Sie den Film "Gegen die Wand" gesehen? Da wird deutlich gezeigt, wie schwierig es ist, diese kulturelle Leistung zu erbringen, die mit der Auswanderung und Einwanderung verbunden ist. Und von den vielen, die hierher gekommen sind, haben das einige nicht so makellos geschafft, wie unsere Rechtsordnung sich das wünscht. Aber die sollte man nicht zurückschicken.

© SZ vom 27.05.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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