Anschläge in Mumbai:Pakistan soll Verdächtige ausliefern

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Die Spannungen zwischen den Atommächten nehmen zu: Indien vermutet die Drahtzieher weiter in Pakistan - und erhält Unterstützung von den USA.

Indien verlangt von Pakistan als Geste des guten Willens die Auslieferung von rund 20 Terror-Verdächtigen. Dies habe seine Regierung in einer Protestnote nach den Anschlägen von Mumbai gefordert, sagte Außenminister Pranab Mukherjee. Regierungskreisen zufolge geht es dabei um Verdächtige, die Indien schon seit Jahren im Zusammenhang mit früheren Anschlägen sucht.

188 Menschen starben, über wurden 300 verletzt - jetzt gilt es herauszufinden, wer hinter den Anschlägen stand. In Mumbai wird derweil getrauert: Blumen vor dem Hotel Taj Mahal. (Foto: Foto: Reuters)

Unterstützung bekommt Indien nun von den USA: Auch aus deren Sicht weisen die Spuren der Bombay-Attentäter nach Pakistan. "Es gibt viele Gründe für die Annahme, dass es eine ganz oder teilweise in Pakistan ansässige Gruppe war", sagte ein Vertreter des US-Außenministeriums am Rande des Treffens der Nato-Außenminister am Dienstag in Brüssel. Die Quelle seiner Informationen nannte er nicht.

Laut einem Bericht von ABCNews.com sollen US-Geheimdienstler ihre indischen Kollegen bereits Mitte Oktober über einen möglichen Angriff informiert haben. Dabei sei es auch um das Taj Mahal Hotel gegangen, berichtete die Nachrichtenseite unter Berufung auf nicht näher genannte Kreise. Die US-Regierung äußerte sich nicht zu dem Bericht, bestätigten aber, dass vor den Anschlägen Warnungen weitergereicht worden seien.

Pakistan rief das Nachbarland zur Besonnenheit auf und bot eine gemeinsame Untersuchung der Anschlagserie in der indischen Finanzmetropole an. Indische Ermittler machen die in Pakistan beheimatete islamistische Gruppe Lashkar-e-Taiba für die Taten verantwortlich, bei denen 183 Menschen ums Leben kamen.

Mukherjees pakistanischer Amtskollege Qureshi versucht den Nachbarn derzeit zu beschwichtigen: "In dieser kritischen Situation sollten beide Seiten Toleranz, Geduld und Ernsthaftigkeit zeigen." Pakistan habe "ausgewogen, gemäßigt und versöhnlich" auf die Angriffserie reagiert. Qureshi ging auf die indischen Auslieferungsforderungen nicht ein.

"Niemand spricht von Militäraktionen"

Nach unbestätigten indischen Medienberichten hatte der einzige festgenommene Terrorist bei seinen Vernehmungen die Verbindung der Terroristen nach Pakistan bestätigt. Er sei gemeinsam mit anderen in einem Trainingslager der radikalislamischen Organisation Lashkar-e-Toiba in Pakistan ausgebildet worden, sagte der 21-jährige Ajmal Amir Kasav.

Pakistan müsse auf seinem Staatsgebiet lebende Personen, die vor der indischen Justiz flüchtig seien, festnehmen und ausliefern, sagte Mukherjee. Sein Ministerium hatte am Montag betont, wenn Pakistan - wie von der dortigen Regierung erklärt - eine qualitativ neue Beziehung anstrebe, müsse es entsprechend handeln. Eine militärische Reaktion sei aber nicht geplant, sagte der Minister. "Niemand spricht von Militäraktionen."

Zu den Verdächtigen, die Indien überstellt bekommen will, gehört Regierungskreisen zufolge der meistgesuchte Mann des Landes, die Unterweltgröße Dawood Ibrahim. Er wird wegen Bombenanschlägen in Mumbai im Jahr 1993 gesucht, bei denen damals mindestens 250 Menschen getötet wurden. In Berichten ist er auch mit der aktuellen Anschlagserie in Verbindung gebracht worden.

Außerdem stehe auf der Liste der pakistanische Geistliche Maulana Masood, hieß es. Er gilt als Geldgeber der Lashkar-e-Taiba, der auch der Anschlag auf das indische Parlament 2001 angelastet wird. Die Tat hätte seinerzeit beinahe einen Krieg zwischen den beiden atomar bewaffneten Staaten ausgelöst.

Der pakistanische Außenminister Shah Mehmood Qureshi warnte in einer Rede vor gegenseitigen Schuldzuweisungen und betonte, sein Land wolle gute Beziehungen zu Indien. "Die Regierung Pakistans hat Indien einen gemeinsamen Untersuchungsmechanismus und eine gemeinsame Kommission angeboten", sagte Qureshi.

Vor dem Hintergrund der Spannungen zwischen den Atommächten wird an diesem Mittwoch US-Außenministerin Condoleezza Rice in Neu Delhi erwartet, am Tag darauf soll sie Islamabad besuchen.

Mukherjee sagte, die Internationale Gemeinschaft und der gewählte US-Präsident Barack Obama stünden hinter Indien. Obama hatte gesagt, er unterstütze die Bemühungen Neu Delhis, die Verantwortlichen zu fassen. Die scheidende US-Außenministerin Rice hatte vor ihrem Besuch in Neu Delhi Pakistan zur Zusammenarbeit aufgefordert.

Am Samstag hatten Sicherheitskräfte unter Führung der NSG mit der Einnahme des Luxushotels Taj Mahal das dreitägige Terrordrama in der westindischen Finanzmetropole Bombay beendet. Die Terroristen töteten nach offiziellen Angaben 188 Menschen, mehr als 300 wurden verletzt.

"Das Töten Unschuldiger ist gegen den Islam"

Nach Angaben des Auswärtigen Amtes verdichten sich die Hinweise auf zwei weitere deutsche Todesopfer bei den Terroranschlägen in Bombay. Die Identifizierung der Leichen durch das Bundeskriminalamt (BKA) sei aber noch nicht endgültig abgeschlossen, sagte eine Sprecherin in Berlin. Nach Informationen der Neuen Ruhrzeitung soll es sich bei den Toten um ein Ehepaar aus dem niederrheinischen Goch handeln. Der 68-Jährige Mann und seine Frau hätten in Indien Urlaub gemacht. Bestätigt wurde bislang der Tod des Münchner Medienunternehmers Ralph Burkei.

Muslimische Organisationen in Mumbai verweigern unterdessen den bei der Terrorserie getöteten Angreifern die letzten Riten und die Bestattung auf muslimischen Friedhöfen. "Das Töten Unschuldiger ist gegen den Islam", sagte der Präsident der muslimischen Vereinigung Dawat-i-Islami, Hamid Abdul Razzak, nach indischen Medienberichten. Die Terroristen hätten Schande über die Muslime in Indien gebracht. "Für sie gibt es in unseren Herzen und auf unseren Friedhöfen keinen Platz." Nach muslimischer Sitte müssen Leichen, die von niemandem beansprucht werden, binnen drei Tagen auf dem nächsten muslimischen Friedhof beerdigt werden.

Der muslimische Rat forderte die Behörden in Mumbai nach Angaben der Nachrichtenagentur IANS in einem Schreiben auf, sich um die Leichen zu kümmern, die Toten aber weder auf indischem Boden noch in indischen Gewässern zu bestatten. Derzeit werden die Leichen der Terroristen in einer Leichenhalle in Mumbai aufbewahrt.

© dpa/Reuters/AFP/AP/ihe/liv/gba/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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