Angela Merkel:"Une Ossie" in Paris

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Angela Merkel hat als Quasi-Kanzlerin bei Chirac wenig zu lachen. Dabei hat sie bei ihrem Besuch im Elysée Palast gar keine schlechte Figur gemacht.

Von Gerd Kröncke

Ob Angela Merkel sich wohlfühlt in Paris, ist nicht auszumachen. Wer sie nur selten sieht, wünschte sich, sie möge einmal lächeln, aber damit ist sie sparsam.

"Ich habe gerne Kontakt zu allen Persönlichkeiten" - Kanzler-Kandidatin Merkel im Gespräch mit Jacques Chirac. (Foto: Foto: AP)

An diesem Dienstag war die deutsche Kanzlerkandidatin zum ersten Mal, seit von Wahlen die Rede ist, an der Seine.

Morgens bei Jacques Chirac im Elysée, dann beim Premier und nachmittags bei dem quirligen Innenminister. Es scheint, als hätte sie dabei wenig zu lachen gehabt, Angela Merkel verbirgt wieder konsequent ihre heitere Seite.

Zwischendurch, im Gespräch mit Journalisten, lächelt sie nur ein, zwei Mal und das auch nur zögerlich. Wessen Konzept ihr denn eher liege, das des Präsidenten, der Gerhard Schröder nahe steht, oder das des quirligen Innenministers, der mehr zum neuen angelsächsischen Konzept neigt?

"Ich stelle fest, dass es hier Minister ganz verschiedener Sozialisation gibt", sagt sie und hebt tatsächlich für einen Moment ihre herabgezogenen Mundwinkel, "ich habe gerne Kontakt zu all diesen Persönlichkeiten."

Wenn sie denn einmal Kanzlerin ist, dürfte es noch dauern, bis Jacques Chirac ein offenes Ohr für seine Sottisen findet, schon gar nicht, wenn sie auf Kosten Dritter gehen. So wie neulich in Königsberg, als er gegenüber Gerhard Schröder und Wladimir Putin über die britische Küche herzog.

Schröder wird ihm fehlen, Chirac hatte morgens vor dem Besuch der Herausforderin noch einmal mit dem Titelverteidiger telefoniert. Aber der Präsident hatte sie vorsorglich schon mal eingeladen, weil in Paris niemand daran zweifelt, dass die CDU-Vorsitzende demnächst in Deutschland regieren wird. Sie war, wie die Journale urteilten, schon als "quasi-chancelière à Paris".

Dabei hat die Quasi-Kanzlerin keine schlechte Figur gemacht. Und wie sehr sie auch betont, wie harmonisch das Treffen mit Chirac verlaufen sei, hat sie doch keine Zweifel gelassen, dass sie mit ihm in Agrarfragen, die dem Präsidenten sehr am Herzen liegen, gar nicht übereinstimmt.

Aber schließlich kenne der Präsident ihre Haltung "schon seit einigen Jahren". Es gibt eben einige Differenzen, etwa im Verhältnis zu den USA, besonders in der Irak-Politik. Da waren sich Schröder und Chirac immer einig. Frau Merkel hält in allem dagegen. Auch in der Frage des Türkei-Beitritts vertreten Chirac und sie entgegengesetzte Positionen.

Über die Jahre hatten Chirac und Schröder ihre Treffen gepflegt, kein Paar in der EU hat sich öfter getroffen. Das wurde sogar eine Freundschaft, in die auch Frau Doris einbezogen wurde. Eine vergleichbare Konstellation erscheint mit Angela Merkel vorerst nicht in Sicht.

Andererseits weiß Jacques Chirac schon lange, dass er sich auf eine neue Situation beim Nachbarn auf der anderen Rheinseite einstellen muss. Womöglich hat ihm das sogar sein Freund Gerhard eingestanden, der nach Chiracs Urteil doch ein "Mann von Charakter und Visionen" ist, ein "Mann mit Weitblick". Auf vergleichbare Komplimente wird Angela Merkel noch lange warten müssen.

Von den französischen Medien ist sie indes freundlich aufgenommen worden. Sie wird als "une Ossie" dargestellt, die sich in einer Szene behaupte, die von Männern aus dem Westen beherrscht sei. Das verwundert hier, weil sich Frauen in der französischen Politik allenfalls unter dem Schirm der Protektion des Präsidenten an der Spitze halten können.

Ähnlich hat ja auch sie angefangen, und sie findet Gelegenheit, sich zu ihrem alten Förderer zu bekennen, um Schröder und indirekt Chirac zu kritisieren. Bei aller Bedeutung des deutsch-französischen Motors als Antrieb für Europa müsse man die kleinen Länder im Blick haben. "Ich bin sozusagen groß geworden in der Tradition von Helmut Kohl", und der habe auch stets darauf bestanden.

Zu mehr als einer Tour d'Horizon konnte es für Angela Merkel am Dienstag nicht reichen. Dass sie beim nächsten Besuch als Kanzlerin anreisen würde, daran zweifelt hinterher keiner. Das erscheint ungefähr so sicher wie der Tour-de-France-Sieg von Lance Armstrong. "Nur ein Sturz oder ein Blitzschlag", hieß es im Fernsehen, "können ihn noch aufhalten." Angela Merkel ist, so Le Monde, die "Jeanne d'Arc des Ostens".

© SZ vom 20.7.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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