Angela Merkel stößt bei Besuch auf Skepsis:Türkei lehnt "privilegierte Partnerschaft" mit EU ab

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Regierungschef Tayyip Erdogan sagte nach einem Treffen mit der CDU-Chefin: "Dies steht nicht auf unserer Agenda". Merkel, die einen EU-Beitritt Ankaras ablehnt, hatte sich zuvor für eine privilegierte Partnerschaft der EU mit der Türkei stark gemacht und betont, niemand in Europa wolle der Türkei das Tor nach Europa verschließen.

Von Christiane Schlötzer

Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel hat bei ihrem ersten Besuch in der Türkei versichert, die EU sei "kein Christenclub". Gleichzeitig lehnte sie aber im Gespräch mit dem türkischen Regierungschef Tayyip Erdogan erneut die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen über eine EU-Vollmitgliedschaft ab.

Merkel, die von CDU-Vizefraktionschef Wolfgang Schäuble begleitet wurde, begründete ihre Haltung mit "den Zuständen in der EU", die nun die Erweiterung um zehn Länder zu verkraften habe. "Die Probleme sind im Moment in der EU", betonte Merkel.

Erdogan verwies bei dem einstündigen Treffen mit der CDU-Chefin dagegen darauf, dass die EU der Türkei seit 40 Jahren die Vollmitgliedschaft versprochen habe. Bei jedem anderen Angebot müssten sich die Türken daher als "Bürger zweiter Klasse" fühlen. Erdogans außenpolitischer Berater, Cüneyt Zapsu, betonte, würde sein Land von der EU fern gehalten, könne die Regierung das "den enttäuschten Türken nicht erklären". Auch die türkischen Militärs seien für die EU, meinte Zapsu.

Erdogan äußerte die Hoffnung, Merkel werde ihre Haltung ändern, nachdem sie sich selber ein Bild von der Türkei gemacht habe. Merkel sagte, sie sei auch gekommen, "um zu lernen". Ausdrücklich würdigte sie die Reformpolitik der Regierung in Ankara. Sie sprach von "dramatischen Fortschritten" bei der Erfüllung der Kopenhagener Kriterien, die als Maßstab für die Aufnahme von EU-Verhandlungen gelten.

Merkel gratulierte Erdogan auch zu der unter Mithilfe Ankaras erreichten Aufnahme neuer Friedensgespräche für Zypern. Erdogan versicherte, die Türkei wolle die Wiedervereinigung der seit 30 Jahren geteilten Insel.

Merkel: Gemeinsamkeiten zwischen CDU und AKP

Trotz der Differenzen entdeckte Merkel auch Gemeinsamkeiten zwischen den beiden konservativen Parteien. Es sei "interessant", dass auch die türkische Regierungspartei ihre "Werte aus der Religion" beziehe, aber dass sie ebenso zwischen Religion und Politik trenne, sagte Merkel nach einem Gespräch mit der AKP-Spitze. Die AKP hat ihre Wurzeln im politischen Islam, will sich aber nicht als "islamistische" Partei bezeichnen lassen.

Die türkische Regierungspartei will Mitglied in der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) werden, dem Zusammenschluss der christlichen Parteien Europas. Die CDU lehnt dies aber ab. Merkel, die bei ihrem Türkei-Besuch von Unionsfraktionsvize Wolfgang Schäuble begleitet wird, bewertete aber den politischen Reformprozess in Ankara positiv. Es habe "unglaubliche Veränderungen" in der Türkei gegeben, sagte die CDU-Chefin und unterstrich, dies sei unter entscheidender Mitwirkung der AKP geschehen.

Kranzniederlegung an Mausoleum zu Ehren Atatürks

Im Gespräch mit dem türkischen Parlamentspräsidenten Bülent Arinc versicherten Merkel und Schäuble, sie seien "als Freunde der Türkei gekommen, um diese Freundschaft zu vertiefen und um zu lernen". Arinc entgegnete, "die große Freundschaft, die unsere Länder in 200 Jahren aufgebaut haben", werde auch helfen, Meinungsverschiedenheiten zu überwinden. Wie es türkischem Protokoll entspricht, legte Merkel am Morgen einen Kranz am Mausoleum für den Staatsgründer der laizistischen Republik, Kemal Atatürk, nieder.

Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Claudia Roth, warf Merkel vor, die Türkei in die "Zweitklassigkeit zu deklassieren". Bundeskanzler Gerhard Schröder will am kommenden Sonntag in die Türkei reisen.

© SZ vom 17.02.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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