Angeblicher Atomreaktor in Syrien:Atomenergiebehörde überprüft US-Vorwürfe

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Das Weiße Haus beschuldigt Nordkorea, Syrien beim Bau eines geheimen Atomreaktors unterstützt zu haben. Nun ermittelt die IAEA in Wien.

Die Internationale Atomenergiebehörde IAEA wird die von den USA erhobenen Atom-Vorwürfe gegen Syrien prüfen. Die Berichte der US-Geheimdienste über den heimlichen Bau eines Atomreaktors in Syrien seien ernst zu nehmen und würden untersucht, sagte der Chef der UN-Behörde, Mohammed el-Baradei, am heutigen Freitag in Wien.

Mohammed el-Baradei, der Chef der IAEA (Foto: Foto: AP)

Die US-Regierung hatte Nordkorea zuvor offiziell beschuldigt, Syrien beim Bau eines Atomreaktors geholfen zu haben. Der bis September 2007 geheim gebaute Reaktor sei nicht für "friedliche Zwecke", sondern dazu bestimmt gewesen, Plutonium für militärische Zwecke zu produzieren, erklärte die Sprecherin des Weißen Hauses, Dana Perino, am Donnerstagabend. Syrien müsse nun die Welt über seine Zusammenarbeit mit Nordkorea informieren. Laut einem US-Geheimdienstmitarbeiter zerstörte ein israelischer Luftangriff die Anlage im vergangenen September. Damaskus wies die Anschuldigungen umgehend zurück.

Der diplomatische Prozess zur atomaren Abrüstung Nordkoreas gehe dennoch weiter, hieß es in der Erklärung des Weißen Hauses. Washington werde im Zuge der Sechs-Länder-Gespräche zwischen den USA, Russland, China, Japan sowie Nord- und Südkorea alles tun, um das Ende des nordkoreanischen Atomprogramms zu überwachen.

Laut Perino wurde der Reaktor am 6. September 2007 so stark zerstört, dass er nicht mehr zu reparieren war. Die syrischen Behörden hätten alle Beweisspuren beseitigt. Nach US-Medieninformationen hatte die CIA den Kongressabgeordneten zuvor bei einem Briefing einen Videofilm gezeigt, in dem nordkoreanische Arbeiter in der syrischen Anlage zu sehen waren.

Diplomatische Spannungen befürchtet

Ein US-Regierungsvertreter beschuldigte die syrische Regierung, mit dem Bau der Anlage den seit 1970 gültigen Atomwaffensperrvertrag verletzt zu haben. Die USA hätten deshalb IAEA-Direktor Mohammed el-Baradei über ihre Erkenntnisse unterrichtet. Es sei der Wunsch der USA, "dass sich die IAEA des Falls annehme", sagte der US-Vertreter, der namentlich nicht genannt werden wollte.

Die syrische Botschaft in den USA wies die "fortwährende Kampagne falscher Anschuldigungen Syriens entschieden zurück". In einer Erklärung forderte sie Washington auf, sich "verantwortungsbewusst" zu verhalten und keine neuen Krisen im Nahen Osten auszulösen. Die Region leide bereits jetzt unter den Folgen einer verfehlten Politik der USA. Zuvor hatte bereits der syrische UN-Botschafter Baschar Dschaafari eine syrisch-nordkoreanische Atom-Zusammenarbeit bestritten.

Syriens Botschafter in Washington, Imad Mustafa, nannte die Anschuldigungen "lächerlich". Dem US-Nachrichtensender CNN sagte er im Anschluss an einen Besuch im US-Außenministerium, ihm seien Satellitenfotos von einem als "Atomreaktor" bezeichneten Gebäude in der syrischen Wüste vorgelegt worden. Darauf seien kein einziger Wachmann und auch kein Stacheldraht, sondern lediglich leere Häuser zu sehen.

Syrien unterhalte "völlig normale diplomatische Beziehungen zu Nordkorea", von einem Verstoß gegen den Atomwaffensperrvertrag könne keine Rede sein. Die US-Regierung sei bekannt dafür, "Geschichten über Massenvernichtungswaffen in anderen Ländern zu erfinden", die sich als falsch erwiesen hätten - so wie vor dem Krieg gegen den Irak im Jahr 2003.

Syrien: USA waren an Luftangriff beteiligt

Die syrische Regierung warf den USA zudem vor, sie sei an dem israelischen Luftangriff auf eine angebliche Militäreinrichtung in Syrien beteiligt gewesen. Die staatliche Nachrichtenagentur SANA zitierte einen Regierungsvertreter mit den Worten: "Diese Kampagne der US-Regierung (gegen Syrien) zielt hauptsächlich darauf ab, den amerikanischen Kongress und die Öffentlichkeit in die Irre zu führen, um durch falsche Anschuldigungen den israelischen Angriff auf Syrien im vergangenen September zu rechtfertigen, an dessen Durchführung die US-Regierung offensichtlich beteiligt war."

Der Fall könnte zu ernsten diplomatischen Spannungen Washingtons mit Syrien und Nordkorea führen. US-Präsident George W. Bush möchte bis zum Ende seiner Amtszeit im Januar 2009 einen abschließenden Erfolg bei den Sechser-Verhandlungen zur Schließung der nordkoreanischen Atomanlagen erreichen.

© AFP/Reuters/dpa/mati/mkf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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