Amtsführung des Bundespräsidenten:Koalition fürchtet neuen Konflikt mit Köhler

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Das Innenministerium hat verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Hartz-Gesetz angemeldet - offenbar eine Reaktion auf jüngste Entscheidungen des Bundespräsidenten.

Nico Fried und Jens Schneider

Die große Koalition ist darum bemüht, einem neuen Konflikt mit Bundespräsident Horst Köhler über die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes auszuweichen. Das Bundesinnenministerium hat nach Informationen der Süddeutschen Zeitung aus Koalitionskreisen verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine geplante Regelung zur Übernahme von Unterkunftskosten für Hartz IV-Empfänger angemeldet.

Bundespräsident Horst Köhler (Foto: Foto: AP)

Regierung und Koalitionsfraktionen wollen nun die Länder überzeugen, für das Gesetz, das am Freitag im Bundesrat beschlossen werden soll, den Vermittlungsausschuss anzurufen.

Dort sollen "mögliche Sollbruchstellen im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit geheilt werden", hieß es. Vertreter der Unions- sowie der SPD-Fraktion führten derzeit Gespräche mit den Ministerpräsidenten ihrer Parteien.

Indirekte Kritik am Staatsoberhaupt

In Koalitionskreisen war von einer Reaktion auf jüngste Entscheidungen des Bundespräsidenten die Rede. Beim Verbraucherinformationsgesetz hatte Köhler kürzlich zum zweiten Mal einem Gesetz seine Zustimmung verweigert.

Zugleich geriet Köhler am Mittwoch wegen seiner Amtsausübung unter wachsenden Druck aus der großen Koalition. Koalitionspolitiker hielten ihm indirekt vor, seine Kompetenzen zu überschreiten. Auch in der Bundesregierung gibt es dem Vernehmen nach Unverständnis insbesondere für die jüngste Entscheidung Köhlers, das Verbraucherinformationsgesetz nicht auszufertigen. Offene Kritik an Köhler wurde allerdings vermieden. Belehrungen sollten unterbleiben, sagte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg.

Das gebiete der Respekt vor dem höchsten Staatsamt. Die Bundesregierung trat aber dem Eindruck entgegen, beim Verfassen von Gesetzen schlampig zu arbeiten. Das Kabinett gebe sich Mühe bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen und beschließe diese "nicht aus Daffke", sagte Steg.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Köhler arbeiteten vertrauensvoll zusammen und würden sich turnusgemäß noch vor Weihnachten zu einem Gespräch treffen. Das Bundespräsidialamt lehnte eine Stellungnahme ab.

Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Olaf Scholz, sagte, es sei Aufgabe des Bundespräsidenten, "dann einzuschreiten, wenn einem Gesetz die Verfassungswidrigkeit auf die Stirn geschrieben steht", also offensichtlich erkennbar sei. Dies sei jedoch aus seiner Sicht beim Verbraucherinformationsgesetz nicht der Fall gewesen.

Erinnerung an Rau

Er sei sich in diesem Punkt einig mit seinem Kollegen Norbert Röttgen von der Union. Röttgen hatte zuvor bereits Kritik an Köhler geäußert. Auch Unions-Fraktionschef Volker Kauder hatte in der Fraktionssitzung am Dienstag mit Blick auf Köhler gemahnt, alle Beteiligten müssten die Verfassung ernst nehmen.

Ebenfalls ohne Köhler namentlich zu nennen, schrieb SPD-Fraktionschef Peter Struck in seinem Bericht an die Fraktion: "Kommen begründete Bedenken auf, gilt: Die Instanz, die letztendlich und abschließend über die Verfassungsmäßigkeit zu entscheiden hat, ist das Bundesverfassungsgericht und niemand sonst."

Er erinnerte an Köhlers Vorgänger Johannes Rau, der das Zuwanderungsgesetz trotz Bedenken unterschrieben hatte, um eine Prüfung durch das Verfassungsgericht möglich zu machen. "Daran könnte man sich ein Beispiel nehmen", sagte Struck.

© SZ vom 14.12.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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