Amerikanisches Afrika-Kommando in Stuttgart:US-Auslandseinsätze made in Germany

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Die US-Armee plant Anti-Terror-Einsätze in Afrika von Stuttgart aus. Neuerdings offenbar mit Hilfe von privaten Sicherheitsfirmen - und dem Segen der Bundesregierung. Nun begehren die ersten Bundestagsabgeordneten auf.

Roman Deininger

Die Entscheidung der Bundesregierung, zwei amerikanischen Militärlogistikunternehmen die Tätigkeit für die US-Armee auf deutschem Boden zu erlauben, stößt auf massive Kritik. Die beiden Firmen arbeiten für das US-Regionalkommando Africom, das von Stuttgart aus die Operationen amerikanischer Streitkräfte in Afrika koordiniert. Das Auswärtige Amt hat die Genehmigung für die Unternehmen auf Anfrage des CDU-Bundestagsabgeordneten Willy Wimmer bestätigt.

Kritische Fragen ans Außenministerium: CDU-Abgeordneter Willy Wimmer (Foto: Foto: ddp)

Wimmer äußerte im Gespräch mit sueddeutsche.de die Befürchtung, dass die Firmen im Krieg gegen den Terrorismus in Afrika auch zu "fragwürdigen Zwecken" herangezogen werden. Die US-Armee setze private Militärdienstleister schließlich oft für "üble Verhöre" und illegale Gefangenentransporte ein, sagte Wimmer. Zudem warf der Konservative dem Auswärtigen Amt vor, dass durch die Ansiedlung von Africom in Stuttgart die Souveränität der Bundesrepublik eingeschränkt werde: "So etwas darf 18 Jahre nach der Wiedervereinigung nicht passieren."

Das Auswärtige Amt hält Wimmers Sorgen für unbegründet. Eine Sprecherin sagte sueddeutsche.de, die beiden Unternehmen erbrächten lediglich "Unterstützungsleistungen im Bereich Logistik und strategische Planungen". In jedem Fall gelte für alle Aktivitäten amerikanischer Truppen in Deutschland deutsches Recht.

Africom wurde im Herbst 2007 in den Kelley Baracks in Stuttgart-Möhringen eingerichtet, weil die US-Streitkräfte in Afrika keinen geeigneten Stützpunkt gefunden hatten. Amerikanische Truppen sind auf dem afrikanischen Kontinent an mehreren Anti-Terrorismus-Operationen beteiligt, etwa im Rahmen der Mission "Enduring Freedom - Trans-Sahara". Die US Air Force hat auch schon mehrere Luftangriffe gegen islamistische Aufständische in Somalia geflogen.

Bei den betroffenen Unternehmen handelt es sich nach Angaben des Auswärtigen Amtes um das Logistics Management Institute und Booz Allen Hamilton aus dem US-Bundesstaat Virginia. Beide gelten als Branchengrößen in der Regierungsberatung - und beide haben starke militärische Sparten. Ein deutscher und ein amerikanischer Militärexperte sagten sueddeutsche.de übereinstimmend, es sei wahrscheinlich, dass die Firmen von Africom in harmlosen Bereichen wie Catering, Betriebsstofflieferung oder Postzustellung eingesetzt werden. Man könne bei privaten Militärdienstleistern jedoch "nie hundertprozentig sicher sein, dass alles sauber abläuft".

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele sagte sueddeutsche.de, es müsse ausgeschlossen werden, dass die beiden Firmen "illegale Aufgaben" erledigen. Sonst könnte "Foltergefängnissen in Deutschland Tür und Tor geöffnet" werden. Von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sei in dieser Frage "größte Sensibilität" gefordert: "Es muss sichergestellt werden, dass sich die US-Armee mit ihren Aktivitäten in Deutschland an die rechtsstaatlichen Vorschriften hält." Private Unternehmen müssten "umso genauer" geprüft werden, sagte Ströbele.

Private Spezialisten bilden afrikanische Soldaten aus

In dem komplexen Fall spielt noch ein drittes US-Unternehmen eine Rolle. Der Befehlshaber von Africom, General William E. Ward, hatte in der Neuen Zürcher Zeitung Anfang Juni berichtet, dass sein Kommando bei der Ausbildung afrikanischer Soldaten auf private Spezialisten der ebenfalls in Virginia ansässigen Military Professional Resources Incorporation (MPRI) zurückgreift.

Ein Africom-Sprecher sagte sueddeutsche.de, der Einsatz des MPRI-Personals erfolge im Rahmen der Friedenstruppen-Schulung ACOTA (Africa Contingency Operations Training and Assistance) und werde direkt vom US-Außenministerium in Washington gesteuert. CDU-Mann Wimmer hatte sich in seinen Fragen an die Bundesregierung ursprünglich auf MPRI bezogen. Er habe keine "zufriedenstellende Antwort zu dieser Firma erhalten", sagte Wimmer.

Der Kölner Völkerrechtler Bernhard Kempen sagte sueddeutsche.de, dass die Tätigkeit ausländischer Militärdienstleister in Deutschland zumindest "kritische Fragen" aufwerfe: "Es ist nicht klar, was noch vom Truppenstationierungsrecht umfasst wäre."

Grünen-Politiker Ströbele übte grundlegende Kritik an der Einrichtung von Africom auf deutschem Boden: "Das berührt elementare Hoheitsfragen." Solch "weitreichende Entscheidungen" dürften nicht "ohne intensive Diskussion" gefällt werden. Nach Auskunft des Außenministeriums ist die Bildung von Africom durch den "Vertrag über den Aufenthalt amerikanischer Streitkräfte vom 23. Oktober 1954" gedeckt.

"Entsetzliche Begründung mit Besatzungsrecht"

Wimmer warf Bundesaußenminister Steinmeier dennoch vor, einen "Begriff der begrenzten Souveränität Deutschlands" einzuführen: "18 Jahre nach der Wiedervereinigung ist es entsetzlich, die Präsenz ausländischer Truppen mit Besatzungsrecht zu begründen."

Die Erlaubnis für die US-Kooperation mit den beiden Logistikunternehmen wird vom Auswärtigen Amt durch das Nato-Truppenstatut von 1959 gerechtfertigt. Darin heißt es, dass "die in Deutschland stationierten Streitkräfte der USA im Einvernehmen mit den deutschen Behörden durch nichtdeutsche Unternehmen wirtschaftlichen Charakters unterstützt" werden können.

Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes sagte sueddeutsche.de, dass 1990 im Zwei-plus-vier-Vertrag mit den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs die Gültigkeit des Nato-Truppenstatuts bestätigt wurde. Die Bundesrepublik hatte erst nach der Wiedervereinigung ihre volle Souveränität zurückerlangt, als die Reste des Besatzungsrechts durch den Zwei-plus-vier-Vertrag aufgehoben wurden.

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