Amerika-Gipfel in Lima:Der Bock als Gärtner

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Beim Treffen der amerikanischen Staats- und Regierungschefs schmieden die Korrupten eine Allianz gegen Korruption. Und vom Geist der Versöhnung der Obama-Ära zwischen Latinos und USA ist nichts mehr zu spüren.

Von Boris Herrmann, Lima

Auf allen Schirmen: US-Vizepräsident Mike Pence vertrat in Lima seinen Chef, der gerade Syrien bombardieren ließ. (Foto: Marcos Brindicci/Reuters)

"Solche Gipfel sind eine schreckliche Zeitverschwendung", schimpfte der venezolanische Präsident Nicolás Maduro. Wenngleich man ihm zugutehalten muss, dass er damit ausnahmsweise mal etwas von sich gegeben hat, was sich nicht komplett abstreiten lässt, so unterschlägt dieser Satz, dass Maduro schon sehr gerne teilgenommen hätte am Amerika-Gipfel in Peru. Er war aber mit dem Verweis auf seine Allergie gegen die Demokratie ausgeladen worden. Freiwillig abgesagt hatte der zweite mögliche Protagonist dieses Treffens der Staats- und Regierungschefs des Doppelkontinents, Donald Trump.

Zentrale Erkenntnis des Treffens war: Venezuela ist mehr und mehr isoliert

Dabei hätte man ihn hier schon gerne begrüßt. Menschen, die südlich des Rio Grande wohnen, sind für den US-Präsidenten bekanntlich "bad hombres", die nichts als Dealen im Kopf haben. Und er hat oft genug zu verstehen gegeben, dass er es für Zeitverschwendung hält, sich mit ihnen zu unterhalten. Deshalb war es keine allzu große Überraschung, als er den Militärschlag in Syrien zum Anlass nahm, um sich kurzfristig entschuldigen zu lassen. Es wäre Trumps erste Lateinamerikareise gewesen. Nun sorgte er für eine andere Premiere: Kein US-Präsident vor ihm hat den Amerika-Gipfel geschwänzt. Er war 1994 erstmals veranstaltet worden, auf Initiative der USA. Zwei Abwesende symbolisierten also die zentralen Erkenntnisse zum Zustand des Doppelkontinents: Venezuela ist isoliert. Und Nord- und Südamerika entfremden sich immer mehr voneinander.

Das steht in krassem Gegensatz zum letzten Gipfel dieser Art vor drei Jahren in Panama. Barack Obama hatte damals nach einem historischen Handschlag mit dem Kubaner Raúl Castro den Kalten Krieg endgültig für beendet erklärt. Das sieht aus heutiger Sicht wie eine schwere optische Täuschung aus. 2018 wird ernsthaft über den Bau einer Mauer zwischen Mexiko und den USA gestritten, über die Kündigung von Freihandelsabkommen sowie über rätselhafte Attacken auf US-Diplomaten in Havanna, die aus einem schlechten Agentenfilm zu stammen scheinen.

Die Beziehungen zwischen den USA und Kuba sind so eisig wie eh und je. Und die Debatte in Peru spielte sich teilweise auf dem Niveau der 1970er ab: imperialistische Yankees gegen kriminelle Latinos. Es war eine Stellvertreter-Debatte im wörtlichen Sinn, denn auch der 2015 noch so versöhnlich klingende Raúl Castro hatte im letzten Moment seine Reise nach Lima storniert.

Statt Trump und Castro lieferten sich dann US-Vizepräsident Mike Pence und Kubas Außenminister Bruno Rodríguez einen Schlagabtausch, den ihre Chefs vermutlich auch nicht viel giftiger hinbekommen hätten. Rodríguez warnte vor "neofaschistischen Tendenzen und Raubtierkapitalismus". Pence konterte mit einer Wutrede gegen "Diktatur und Tyrannei", und damit meinte er nicht nur Venezuela, sondern auch Kuba. Daraufhin ergriff Rodríguez noch einmal das Wort, um eine offenbar vorbereitete Replik vom Blatt abzulesen, in der er "das Land des Herrn Pence" als "korrupt aus Natur" bezeichnete und als eine "Peinlichkeit für die Menschheit".

Aus Venezuela schickte wiederum Maduros Mann fürs Grobe, Diosdado Cabello, einen Gruß an die Präsidenten Argentiniens, Kolumbiens und Brasiliens. Er nannte sie "unterwürfige Hunde", die sicher traurig über die Absage Trumps seien, weil sie nur darauf gewartet hätten, ihm "die Stiefel zu lecken". Die Adressaten dieser Tirade führten in Lima eine Gruppe von 16 Staaten an, die ankündigten, die anstehenden Scheinwahlen in Venezuela nicht anzuerkennen. Im Mai will sich Maduro im Amt bestätigen lassen, damit nichts schief geht, wurden die populärsten Köpfe der Opposition ausgeschlossen.

Der Gipfel hat nun deutlich gezeigt: Abgesehen von Kuba, Bolivien sowie ein paar Karibikinseln steht Venezuela in der Region allein da. Deutlich wurde aber auch die Hilflosigkeit angesichts der humanitären Krise im Maduro-Staat.

Allenfalls am Rande kam zur Sprache, dass es nahezu überall brennt auf dem Halbkontinent. In einem Jahr, in dem rund zwei Drittel der Latinos eine neue Regierung wählen, geht der Trend eindeutig zum Rechtspopulismus. In Brasilien und Mexiko bricht die Gewalt alle Rekorde. In Kolumbien steht der Frieden mit der ehemaligen Farc-Guerilla vor einer Zerreißprobe. Aus Ecuador kam während der Konferenz die Bestätigung von dem Mord an zwei Journalisten und ihrem Fahrer. Sie waren vor drei Wochen entführt worden, mutmaßlich von einer Splittergruppe der Farc. Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos sagte: "Ich spüre eine gewisse Frustration, nicht mehr erreicht zu haben." Als Nobelpreisträger kann man es sich leisten, hin und wieder selbstkritisch zu sein.

Mit dem Thema Korruption kannten sich die meisten Teilnehmer zweifellos aus

Offizielles Thema des Gipfels war die Korruption. Damit kannten sich die meisten Teilnehmer zweifellos aus. Die Zahl der anwesenden Staatschefs, die in Bestechungsskandale verwickelt sind, war zweistellig, allen voran der Brasilianer Michel Temer, der ohne den Immunitätsschutz seines Amtes wohl längst im Gefängnis wäre. Er brachte es trotzdem fertig zu fordern: "Korruption darf nicht toleriert werden!" Dennoch schwebte über der Szene die unausgesprochene Frage, was dabei herauskommen soll, wenn die Korrupten eine Allianz gegen die Korruption schmieden.

Bezeichnend für das Chaos war auch die Ankündigung des Weißen Hauses, wonach Mike Pence an einem Bankett teilnehmen werde, zu dem der peruanische Präsident Pedro Pablo Kuczynski eingeladen habe. Dieser Präsident heißt neuerdings aber Martín Vizcarra, Kuczynski war Mitte im März im Sturm eines Korruptionsskandals zurückgetreten.

Nach reichlich vergeblichen Mühen hat es Gastgeber Vizcarra dann immerhin geschafft, einen panamerikanischen Konsens herbeizuführen. Weil die meisten Präsidenten ihre vorgegebene Redezeit schamlos überzogen, brachte er mit knurrendem Magen den Antrag ein, das Mittagessen im Sitzungssaal servieren zu lassen. Dem wurde einstimmig stattgegeben.

© SZ vom 16.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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