Amerika-Forscher Braml:"Obama wird nicht über Wasser gehen"

Lesezeit: 3 min

Es ist die Geschicklichkeit der Redenschreiber, die Josef Braml, Amerika-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, an der Rede Obamas am meisten beeindruckt.

Thorsten Denkler

sueddeutsche.de: Herr Braml, wie hat die Rede von Senator Barack Obama auf Sie gewirkt?

Warnt vor übertriebenen Erwartungen an Barack Obama: Amerika-Experte Josef Braml. (Foto: Foto: www.dgap.org)

Josef Braml: Mich hat die Geschicklichkeit seiner Redenschreiber beeindruckt. Sie hatten einen Drahtseilakt zu bewältigen. Sie durften einerseits nicht zu konkret werden, andererseits aber nicht zu unkonkret.

sueddeutsche.de: Warum durfte er nicht konkret werden?

Josef Braml: Weil Obama in den USA schon dem Vorwurf ausgesetzt war, anmaßend zu sein. Kritisiert wird etwa, dass sein Kampagnen-Logo dem offiziellen Siegel des Präsidenten ähnele. Er muss da sehr aufpassen. Außerdem ist es immer gut, in Wahlkampfzeiten nicht zu konkret zu werden. Da kann man vom politischen Gegner schnell in eine Ecke gedrängt werden.

sueddeutsche.de: Hat er das hinbekommen?

Braml: Ja. Er hat von Beginn an klargemacht, dass er lediglich als amerikanischer Bürger, ja als Bürger der Welt spreche.

sueddeutsche.de: Seine Ankündigung, die Europäer und die Weltgemeinschaft stärker in die Verantwortung nehmen zu wollen, klang schon sehr konkret.

Braml: Das waren insbesondere die Stellen, die sich auch direkt an das amerikanische Volk richteten.

sueddeutsche.de: Er meinte doch speziell die Europäer.

Braml: Man muss wissen, dass in den USA im Moment sehr stark darüber debattiert wird, wie viel Geld das Land noch in sein internationales Engagement investieren kann. Die Amerikaner fragen sich, ob man mit dem Geld nicht viel stärker wieder die innenpolitischen Probleme lösen soll. Das hat sehr viel zu tun mit der angespannten Wirtschaftslage in den USA.

sueddeutsche.de: Indem er seinen Leuten sagt, die Amerikaner werden in Zukunft die Karre nicht mehr immer alleine aus dem Dreck ziehen, verspricht er gleichzeitig, Kosten im Ausland zu senken. Ist das seine Strategie?

Braml: Ja, das ist die Logik. Die Kosten der Auslandseinsätze gehen in die Hunderte Milliarden US-Dollar. Das ist ein großes Wahlkampfthema in den USA. Vor allem bei der demokratischen Klientel kommt es gut an, wenn er die transatlantischen Partner einbinden will, um Kosten zu teilen, um damit auch mehr Geld für Sozial- und Infrastrukturausgaben im eigenen Land auszugeben. Indem er gleichzeitig den Europäern echte Kooperation anbietet, kann er auch hierzulande punkten. So bekommt er Applaus von beiden Seiten. Das hat er sehr geschickt gemacht.

sueddeutsche.de: Und die andere Seite der Medaille?

Braml: Die Deutschen können sich darauf einstellen, dass der nächste Präsident - egal ob er nun Obama oder McCain heißen wird - konkretere Anforderungen an sie stellen wird. Er hat in seiner Rede die möglichen Arbeitsfelder schon benannt: Afghanistan, Irak und der Nahe Osten.

sueddeutsche.de: Bei seinem letzten Deutschlandbesuch vor wenigen Wochen hat US-Präsident George W. Bush jeden Kontakt zur Öffentlichkeit vermieden. Obama mobilisiert in kürzester Zeit 200.000 Menschen für eine halbstündige Rede. Der Beginn einer neuen deutsch-amerikanischen Freundschaft?

Braml: Ich warne vor zu überzogenen Erwartungen. Er ist noch nicht gewählt. Und um gewählt zu werden, muss er seine hoffnungsvolle Rhetorik abschwächen, um für die Mitte Amerikas wählbar zu bleiben. Er wird schon rein rhetorisch den einen oder anderen enttäuschen müssen.

sueddeutsche.de: Ist ja schon passiert.

Braml: Richtig. Die Kriegsgegner in Amerika gehörten zu den Ersten, weil Obama nicht länger den sofortigen Abzug der Truppen aus dem Irak fordert.

sueddeutsche.de: Aber als Präsident könnte er doch den Weltenretter spielen.

Braml: So einfach ist das nicht. Als Präsident steht ihm ein starker Kongress gegenüber, der ihm das Leben nicht einfach machen wird. Vor allem beim Heimatschutz und in der Handelspolitik werden protektionistische Tendenzen immer ausgeprägter. In diesen Politikfeldern haben die Abgeordneten und Senatoren ein gewichtiges Wort mitzureden. Es gibt den Kongress, institutionelle Schwerkräfte, die Barack Obama oder auch jeden anderen Präsidenten nicht über Wasser gehen lassen. Das werden wir noch sehr zu spüren bekommen.

sueddeutsche.de: Hat Obama mit seiner Rede jetzt die Favoritenrolle im Rennen um die Präsidentschaft übernommen?

Braml: Die hat er ohnehin. Aber der Ausgang der Wahlen wird entscheidend davon abhängen, wie sich die Sicherheitslage in den kommenden Monaten bis zum November darstellt. Im Moment ist die Lage relativ entspannt. Aus dem Irak kommen weniger tote Soldaten zurück in die Heimat. Wir haben einigermaßen stabile Verhältnisse in Iran, in Afghanistan und in Pakistan. Die Amerikaner treiben wirtschaftliche Probleme um. Da wird Obama mehr zugetraut, als seinem Konkurrenten McCain. Der hat den Fehler gemacht, einzugestehen, dass er von Wirtschaft herzlich wenig Ahnung habe.

sueddeutsche.de: Hat die Berlin-Rede von Obama nicht die Zweifel an seiner außenpolitischen Kompetenz ausgeräumt?

Braml: Er versucht seine fehlende Erfahrung zu kompensieren. Aber auch John McCain, dem die Amerikaner viel eher die Rolle als Oberbefehlshaber zutrauen, ist nicht davor gefeit, Fehler zu machen. So sprach er kürzlich von der "Tschechoslowakei", obwohl das inzwischen zwei Staaten sind. Politische Gegner werden ihm deshalb vorwerfen, dass er immer noch in Kategorien des Kalten Krieges denkt. Oder er ordnet Länder als Nachbarn des Irak ein, die erwiesenermaßen keinen Meter Außengrenze mit dem Irak teilen. Das könnte den einen oder anderen doch an die Lehrjahre des amtierenden Präsidenten erinnern.

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