Bei Aldous Huxley, in seiner Schönen Neuen Welt, wird beschrieben, wie alte Menschen in Kliniken entsorgt werden: Sie werden "abgeschaltet" wie verrostete Maschinen. Kinder werden regelmäßig in diese Entsorgungskliniken geführt und dort mit Schokolade gefüttert, damit sie sich an den Vorgang gewöhnen und für sich akzeptieren lernen, dass Leben nicht nur technisch produziert, sondern auch technisch beendet wird. So ist das im Roman aus dem Jahr 1932.
In der Realität des Jahres 2007 gibt es keine Entsorgungskliniken und keine Kinder, die dort mit Schokolade gefüttert werden. Aber es gibt in Deutschland eine unerträgliche Gewöhnung an oft unerträgliche Zustände in Alten- und Pflegeheimen.
Die MDS-Berichte, also die Berichte des medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen, sind SOS-Berichte - auf die kaum jemand reagiert. Schon vor Jahren wurden "zum Teil gravierende Qualitätsdefizite vor allem bei der Ernährung und Flüssigkeitsversorgung festgestellt", und zwar bei 41 Prozent der Heimbewohner. Anders gesagt: Fast die Hälfte der Menschen in den untersuchten Pflegeheimen leidet Hunger und Durst.
Das ist, wie nun der jüngste Bericht zeigt, nicht sehr viel besser geworden. Das Minimalziel der Betreuung, die "Satt- und Sauber-Pflege" wird nur in der Hälfte der Heime erreicht. Die Altenpfleger, die dort unter äußerstem Zeitdruck und mit mäßigem Lohn arbeiten, sind die Helden, über die man nicht spricht - weil man das ganze Thema meidet wie die Pest.
Die Würde des Menschen endet aber nicht mit 85 Jahren. Sie endet auch dann nicht, wenn er gefüttert und gewickelt werden muss. Das ist leider nicht so selbstverständlich, wie es klingt.