Aids-Konferenz der UN:Chirac: "Weltgesundheitsnotstand" ausrufen

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Große Worte - wenig Hoffnung: Frankreichs Präsident warnt vor der ungebremsten Aidsepidemie. US-Außenminister Powell hält die Immunschwäche für tödlicher "als jede Massenvernichtungswaffe". Doch der Kampf gegen Aids droht deutlich hinter seinen Zielen zurückzubleiben, erklärt UN-Generalsekretär Annan.

Aids, so erklärte US-Außenminister Colin Powell, sei tödlicher "als jeder Terroranschlag, jeder Konflikt und jede Massenvernichtungswaffe". Die Immunschwächekrankheit könne "Länder zerstören und ganze Regionen destabilisieren", sagte Powell auf einer Sondersitzung der UN-Vollversammlung zum Thema Aids in New York.

Und Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac appellierte an die internationale Gemeinschaft, wegen der ungebremsten Aidsepidemie einen "Weltgesundheitsnotstand" auszurufen. Allen Aidskranken müsse Zugang zu preisgünstigen Medikamenten verschafft werden, forderte Chirac und versprach, sich bei der EU dafür einzusetzen, dass diese künftig eine knappe Milliarde Euro für den weltweiten Fonds gegen Aids, Tuberkulose und Malaria gibt.

Staats- und Regierungschefs sowie Minister und Experten aus fast allen 191 UN-Mitgliedstaaten ergriffen bei der gut zwölfstündigen Marathondebatte in New York das Wort. Die meisten bestätigten, was UN-Generalsekretär Kofi Annan in der Eröffnungsrede festgestellt hatte. Der Kampf gegen Aids drohe deutlich hinter seinen Zielen zurückzubleiben.

"Es ist kristallklar, dass wir keines der bis 2005 gesetzten Ziele erreichen, wenn wir weiterhin nur so schleppend Fortschritte machen", warnte Annan die Versammlung.

Bis zu sechs Millionen HIV-Infizierte brauchen dringend Medikamente

"Um den vielen Millionen Menschen jene antiviralen Medikamente zu geben, die sie (zum Überleben) brauchen, müssen wir unser Denken und unser Handeln komplett umstellen", forderte der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation WHO Lee Jong Wook. "Das normale Vorgehen klappt nicht. So wie bisher weiterzumachen, bedeutet, täglich tausende Menschen sterben zu sehen".

Fünf bis sechs Millionen HIV-Infizierte in Entwicklungsländern sind nach WHO-Angaben so krank, dass sie dringend Medikamente benötigen, um zu überleben. Derzeit würden dort jedoch weniger als 300.000 behandelt - etwa einer von 20. In den afrikanischen Ländern südlich der Sahara würden sogar nur 50 000 Menschen diese Mittel erhalten.

Der UN-Sondergesandte für Aids in Afrika, Stephen Lewis, hatte sich erst am Wochenende in Nairobi über das Ungleichgewicht zwischen Washingtons Ausgaben für Antiterror-Maßnahmen und für den Aidskampf in Afrika empört. "Wie kann es sein, dass wir im Jahr 2003 mehr als 200 Milliarden Dollar (174 Milliarden Euro) für den Kampf gegen Terroristen aufbringen, aber kein Geld für die Aidsmedikamente in Afrika haben", schalt Lewis und fuhr fort, "der Doppelstandard ist eine groteske Obszönität der modernen Welt."

Bush lässt Kongress Aids-Ausgaben kürzen

Dagegen verteidigte sich Powell in New York mit dem Hinweis, dass kein Land bisher so viel Geld in den Aids-Fonds eingezahlt habe wie die USA. Der Minister erinnerte, dass US-Präsident George W. Bush zusätzliche 15 Milliarden Dollar für einen Zeitraum von fünf Jahren versprochen habe.

Doch Aids-Organisationen befürchten nach einem Bericht der Washington Post vom Dienstag, dass die US-Regierung ihre Zusage nicht einhalten werde. Schließlich habe Bush den Kongress erst im Juli angewiesen, seine Aids-Ausgaben in diesem Jahr zu kürzen.

Die WHO kündigte am Montag eine neue Kampagne an, um bis Ende 2005 drei Mal mehr Aids-Kranke mit Medikamenten zu versorgen als mit derzeitigen Programmen möglich. Dafür seien jährlich zusätzlich 5 Milliarden US-Dollar nötig. "Wir haben die Medikamente, um Menschen für einen Dollar pro Tag oder weniger zu behandeln, aber sie kommen nicht bei den Bedürftigen an", bedauerte die Organisation in einer Erklärung.

Sollten die Regierungen auf die Herausforderungen nicht angemessen reagieren, rechnet das UN-Programm UNAIDS mit 45 Millionen neuen HIV- Fällen bis 2010.

(sueddeutsche.de/dpa)

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