Afghanistan:Gesucht: Gute Taliban

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Scharia light: Ein Gespenst geht um am Hindukusch, das Gespenst der gemäßigten Taliban. Doch die Gruppe, um die es geht, ist schwer zu fassen.

Peter Münch

Alle Welt einschließlich der Weltmacht USA unter Präsident Barack Obama will plötzlich mit ihnen verhandeln. Es geht um die Hoffnung auf ein Ende des Krieges durch Kompromisse statt durch Kanonen. Doch wie soll man sie sich vorstellen, diese moderaten Gotteskrieger? Als Männer mit nur halblangen Bärten? Als Verfechter einer Scharia light?

Unterstützer der pakistanischen Taliban lauschen in einer Moschee in Mingora in der Provinz Swat ihrem Anführer. (Foto: Foto: AP)

Die Gruppe, um die es geht, ist schwer zu fassen. Es gibt kein Programm, keine offiziellen Protagonisten, keinen politischen Arm der Taliban, mit dem man in Verhandlungen eintreten könnte, wie dies beispielsweise in Nordirland mit IRA und Sinn Fein möglich war. Aber vieles ist im Fluss - und man kann sie treffen, die gemäßigten Taliban.

Zum Beispiel in Quetta, der heutigen Hauptstadt von "Talibanistan". Die pakistanische Stadt nahe der Grenze zu Afghanistan ist die Rückzugsbastion der Führungsclique. Von dort aus soll der einäugige Anführer Mullah Mohammed Omar die Fäden ziehen für den Krieg gegen die westlichen Truppen.

Zugleich jedoch kann man hier beim Abendessen mit einer Gruppe hochmögender Kleriker über Wege zum Frieden in Afghanistan diskutieren, und hinterher stellt sich heraus, dass der Tischnachbar links ein früherer Taliban-Minister und der grimmige Kerl gegenüber ein Taliban-Feldkommandeur war.

"Ich will nicht mit meinem Leben spielen"

Oder man besucht in Kabul in seiner nicht zu kleinen Residenz einen Mann namens Mullah Abdul Salam Saif. Ende 2001, als nach den Anschlägen vom 11. September der Krieg tobte am Hindukusch, da war Mullah Saif als afghanischer Botschafter in Pakistan das offizielle Sprachrohr der Taliban.

Bezahlt hat er dafür mit fast vier Jahren Gefangenschaft in Guantanamo, doch seit einiger Zeit ist er zurück in der Heimat; angeblich zahlt die Regierung seine Villa samt Bewachung. Als Mittler mag er sich nicht offenbaren, "ich will nicht mit meinem Leben spielen", sagte er einmal der Süddeutschen Zeitung.

Doch Mullah Saif saß, ebenso wie der frühere Taliban-Außenminister Wakil Achmed Mutawakil, mit am Tisch, als im Herbst in Mekka Vertreter der Taliban mit Abgesandten der Kabuler Zentralmacht zusammenkamen. Eingeladen zu diesem sehr schnell bekannt gewordenen Geheimtreffen hatte der saudische König Abdullah. Riad kommt eine Schlüsselrolle zu, weil das Königshaus beste Beziehungen zu den USA unterhält, zugleich aber zählte Saudi-Arabien zu den nur drei Staaten, die das Taliban-Regime anerkannt hatten.

Die Gespräche endeten ohne Ergebnis, doch es wurden die Positionen deutlich: Die afghanische Regierung fordert die Taliban auf, die Waffen niederzulegen und die Verfassung anzuerkennen. Die Taliban verlangen als Bedingung den kompletten Rückzug der ausländischen Truppen.

Ein Kompromiss ist da schwer vorstellbar, doch angesichts der Kriegsmüdigkeit im Westen sehen sich die Taliban in der besseren Verhandlungsposition. Tatsächlich tragen manche Avancen schon Züge der Verzweiflung. Am Montag schwadronierte Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner darüber, dass man auch einen Wahlsieg der Taliban respektieren müsse - dabei ist den Fundamentalisten bisher weniges so fremd wie Wahlen.

Eines aber ist klar: Wer den Taliban eine Teilhabe an der Macht geben will, der muss Abschied nehmen vom hehren Demokratie-Projekt. Für diesen Frieden müssten die Afghanen mit ihrer Freiheit bezahlen.

© SZ vom 10.03.2009/af - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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