Afghanistan-Debatte:Schlagabtausch im Bundestag

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Der Bundeskanzler hat im Bundestag um Vertrauen für sich und seine Politik geworben. Die Opposition findet, der Kanzler habe versagt.

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat mit den militärischen Erfolgen in Afghanistan für die Zustimmung zur Bereitstellung von Bundeswehrsoldaten und um Vertrauen für sich selbst geworben. Durch die Militärerfolge sei der Weg frei für die humanitäre Versorgung der Bevölkerung in Afghanistan. Deutschland werde sich substanziell an der Hilfe beteiligen, sagte Schröder am Freitag vor der Abstimmung über die von ihm gestellte Vertrauensfrage.

Der geplante Bundeswehreinsatz für den Anti-Terror-Krieg sei eine Zäsur, sagte Schröder am Freitag im Parlament. Erstmals würden deutsche Soldaten für einen Einsatz außerhalb des Nato-Gebietes bereitgestellt. Dafür sei es unabdingbar, dass sich der Kanzler auf die Mehrheit der Koalition stützen könne. "Es geht um die Verlässlichkeit unserer Politik."

Schröder hat seine Erleichterung über die Freilassung der "Shelter Now"-Mitarbeiter aus den Händen des Taliban-Regimes in Afghanistan zum Ausdruck gebracht. Doch dürfe man sich "keinen Illusionen hingeben", sagte er: Der Kampf gegen den Terrorismus werde noch lange dauern. Die Anti-Terror-Koalition brauche einen "langen Atem", sagte der Kanzler.

Merz: Schröder hat den Mund zu voll genommen

Unionsfraktionschef Friedrich Merz sieht die rot- grüne Bundesregierung gescheitert. Gleich, wie die Abstimmung über die mit der Abstimmung über den geplanten Bundeswehreinsatz im Anti- Terror-Krieg gekoppelte Vertrauensfrage ausgehe, "der heutige Tag ist der Anfang vom Ende der Regierung Gerhard Schröder", sagte Merz im Bundestag. Jetzt, da die Regierung handeln müsse, stürze sie in eine tiefe Krise. Ein Grund dafür sei, dass Schröder "den Mund zu voll genommen hat". Schröder habe die Lage in seiner eigenen Fraktion und Partei nicht richtig eingeschätzt. Jetzt kämen bei einigen Koalitionsabgeordneten "anti-amerikanische Reflexe wieder hoch".

Merz hat das Vorgehen der Spitzen von SPD und Grünen gegen die Abweichler in ihren Reihen scharf attackiert. "Wer so umspringt mit Abgeordneten, die allein ihrem Gewissen verantwortlich sind, nur um sich die Macht zu sichern, der hat Vertrauen wahrlich nicht verdient", sagte Merz.

Müller: Grüne können Herausforderung mit gutem Gewissen bestehen

Außenminister Joschka Fischer (Grüne) warb eindringlich für einen Bundeswehreinsatz im Kampf gegen den internationalen Terrorismus. "Wenn Gewalttäter auftreten, muss durchgegriffen werden", sagte Fischer in der Debatte über die Vertrauensfrage des Kanzlers und die Bereitstellung von 3900 Soldaten für den Anti-Terror-Krieg. Der Militäreinsatz sei letztes Mittel.

In Afghanistan beginne die eigentliche Aufgabe erst jetzt. Durch den Rückzug der Taliban sei der Zugang für humanitäre Hilfe frei.

Die Grünen-Fraktion wird nach den Worten ihrer Vorsitzenden Kerstin Müller "mit sehr großer Mehrheit" Bundeskanzler Schröder das Vertrauen aussprechen und für einen Bundeswehreinsatz im Anti-Terror-Krieg stimmen. Der Bundestag stehe vor einer außerordentlich schwierigen Entscheidung, sagte Müller am Freitag im Bundestag.

Sie sei über die Verknüpfung mit der Vertrauenfrage nicht glücklich. Müller betonte aber: "Wir können diese Herausforderung mit gutem Gewissen bestehen." Die sehr große Mehrheit der Grünen-Fraktion sei überzeugt, dass sie einen maßvollen Bundeswehreinsatz mit ihrem Gewissen vereinbaren könne, sagte die Fraktionschefin.

FDP will Verfahrensfrage von Afghanistan-Beschluss trennen

FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt hat Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) aufgefordert, die Abstimmungen über die Vertrauensfrage und über einen möglichen Bundeswehreinsatz im Afghanistan-Konflikt wieder zu trennen.

Die dann zu erwartende breite Mehrheit für den Bundeswehreinsatz würde die Wirklichkeit in der Bundesrepublik nach außen eher zeigen, sagte Gerhardt am Freitag in der Debatte über die Vertrauensfrage im Bundestag. Bei einer Verknüpfung beider Fragen dringe nur die "zusammengezimmerte Mehrheit" der rot-grünen Koalition nach außen.

PDS-Fraktionschef Roland Claus hat Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) vorgeworfen, mit der Verknüpfung der Abstimmung über Bundeswehreinsatz und Vertrauensfrage ein "Koalitionsmachtspiel" zu betreiben. Dabei würden die Kriegsereignisse in Afghanistan in den Hintergrund gedrängt.

Glos: Regierung soll Weg für Neuwahlen frei machen

Die Bundesregierung hat nach den Worten von CSU- Landesgruppenchef Michael Glos die Chance verspielt, für einen Bundeswehreinsatz im Afghanistan-Konflikt eine breite Mehrheit zu gewinnen. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sei von einem Weltstaatsmann zu einem "Kleinkrämer geworden, dem es nur darum geht, seinen Laden zu erhalten", sagte Glos am Freitag im Bundestag. Die Union stehe zu den Verpflichtungen der Bundesrepublik in der Welt.

Der CSU-Politiker forderte die Koalition auf, durch die Ablehnung der Vertrauensfrage den Weg für Neuwahlen freizumachen. Die Bundesregierung sei nicht mehr handlungsfähig, der Bundeskanzler habe stark an Vertrauen eingebüßt. "Jeder Tag, den Sie noch regieren, ist eine verlorener Tag für Deutschland", rief Glos dem Kanzler zu.

Westerwelle: Abgang einer sterbenden Koalition

Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle hat schnelle Neuwahlen gefordert. Er forderte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) auf, nicht dem Parlament die Vertrauensfrage zu stellen: "Stellen Sie die Vertrauensfrage nicht diesem Haus, sondern dem deutschen Volk." Westerwelle sah die rot-grüne Koalition am Ende. Eine Partnerschaft, die durch Nötigung und Erpressung als Partnerschaft zusammen gehalten werde, sei am Ende. Die "Waffenbrüder" würden sich nach ihrem voraussichtlichen Erfolg nei der Abstimmung über die Vertrauensfrage am Mittag umarmen und abends gut gelaunt auf den Bundespresseball gehen. Doch in Wahrheit sei es der "Abgang einer sterbenden Koalition".

(sueddeutsche.de/dpa/Reuters/AP)

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