Affäre um Anschlag in Pristina:Kosovo bleibt hart

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Nach dem Anschlag in Pristina wünschte die Bundesregierung eine diskrete Lösung. Die verdächtigen BND-Agenten bleiben jedoch in Haft.

Daniel Brössler und Enver Robelli

Nach der Verhaftung dreier deutscher Agenten in Pristina herrscht in der Bundesregierung erhebliche Verärgerung über die Behörden im Kosovo.

Sie hätten mit dem Angriff nichts zu tun: Die verdächtigen BND-Männer vor einem Untersuchungsrichter in Pristina. (Foto: Foto: dpa)

Die Hilfe Deutschlands beim Aufbau staatlicher Strukturen in der früheren serbischen Provinz werde in dem Fall nicht genügend gewürdigt, hieß es in Berliner Regierungskreisen. Hoffnungen auf eine rasche Freilassung der Deutschen zerschlugen sich am Wochenende.

Die drei Geheimdienstler müssen für 30 Tage in Untersuchungshaft bleiben. Dies ordnete ein Richter in der Hauptstadt Pristina am Wochenende an. Den Männern werden Terrorismus, Gefährdung der öffentlichen Ordnung und illegaler Waffenbesitz vorgeworfen. Sie sollen am 14. November einen Sprengstoffanschlag auf das Gebäude der Internationalen Verwaltungsbehörde (ICO) verübt haben.

Die ICO überwacht die Unabhängigkeit des Kosovo und wird vom niederländischen EU-Sondergesandten Piether Feith geleitet. In Pristina wurde spekuliert, Ziel des Angriffs sei es gewesen, den Kosovo zu destabilisieren und die endgültige Teilung des Landes zwischen Serben und Albanern herbeizuführen.

Bei den 41 bis 47 Jahre alten Männern handelte es sich um verdeckt operierende Angehörige des Bundesnachrichtendienstes (BND). Wie auch in anderen Ländern ist der BND im Kosovo nicht nur durch offiziell angemeldete Residenten vertreten, sondern auch durch Agenten. Die Aufklärung auf dem Balkan gilt als einer der Schwerpunkte des BND.

Während der mehrstündigen Vernehmung in Pristina beteuerten die drei Deutschen Robert Z., Andreas B. und Andreas J. ihre Unschuld. Sie hätten nach dem Anschlag den Tatort inspizieren wollen. Mit dem Angriff hätten sie nichts zu tun, erklärten ihre Rechtsanwälte. Die Justiz des Kosovo wirft Andreas J. vor, er sei am Freitag vor zehn Tagen in ein leeres Nachbargebäude eingestiegen und habe von dort aus den Sprengstoff auf die ICO-Büros geworfen. Anschließend sei er mit Robert Z. und Andreas D. in einem Geländewagen der Marke Mitsubishi vom Anschlagsort geflüchtet.

Diese Darstellung hält die Rechtsanwältin Fehmije Bytyqi-Gashi für fragwürdig. Sie vertritt Andreas J. und sagte der Süddeutschen Zeitung, ihr Mandant sei "aus Neugier" zusammen mit zwei weiteren Deutschen knapp vier Stunden nach dem Anschlag zum Tatort gefahren. In Justizkreisen hieß es, noch am gleichen Abend habe die Polizei die drei Männer angehalten und überprüft. Die Verhaftung sei aber erst am vergangenen Mittwoch erfolgt, nachdem eine Anti-Terror-Einheit der Polizei das Haus der drei deutschen Staatsbürger durchsucht habe und dabei eine Stadtplanskizze mit dem ICO-Gebäude gefunden habe.

Die Anwältin Bytyqi-Gashi hält eine Beteiligung der Männer an dem Anschlag für unwahrscheinlich. "Die Deutschen hatten fast eine Woche Zeit, das Land zu verlassen, wenn sie wirklich in diesen Angriff verwickelt gewesen wären", sagte die Anwältin.

Andreas J. erklärte vor dem Richter, dass er für das in Pristina tätige Unternehmen "Logistic Coordination Assessment Service" (LCAS) arbeite. Laut kosovarischen Quellen handelt es sich um eine Tarnfirma des Bundesnachrichtendienstes, die deutsche Investoren im Kosovo berät. Das örtliche Blatt Koha Ditore meldete, die Deutschen seien über anderthalb Jahre lang beschattet worden.

Unklar ist noch immer, warum die Spionageaffäre derart eskalieren konnte. Nicht zuletzt wegen der erheblichen finanziellen und politischen Hilfe Berlins für den erst seit Februar unabhängigen Kosovo hatte die Bundesregierung auf eine geräuschlose Lösung der Angelegenheit gehofft. Deutschland gehört zu den ersten Staaten, die den Kosovo anerkannt haben und ist zweitgrößter Geldgeber nach den USA. Bei einer Geberkonferenz im Juli sagte die Bundesregierung 100 Millionen Euro für die Jahre 2008 und 2009 zu.

Die Opposition in Berlin kritisierte am Sonntag scharf die zaghafte Informationspolitik der Bundesregierung. "Es geht um ungeheuerliche Vorwürfe. Da ist eine unmittelbare Aufklärung notwendig", sagte der Linkspartei-Abgeordnete Norman Paech.

© SZ vom 24.11.2008/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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