Den meisten Menschen außerhalb des kleinsten Bundeslandes dürfte es auf den ersten Blick kurios erscheinen: Seit Jahren hat Bremen die höchste Arbeitslosigkeit in Westdeutschland, dazu den größten Schuldenberg und der PISA-Studie zufolge überdies das miserabelste Schulsystem.
Daran hat die Große Koalition von SPD und CDU in den vergangenen acht Jahren, die sie nun in Bremen regiert, nichts geändert. SPD-Spitzenkandidat Henning Scherf wirbt trotzdem mit dem Spruch: "Kurs halten" und will die "wunderbare" Koalition fortsetzen. Und die meisten Umfragen sprechen dafür, dass die Bremer ihren Landeschef bei der Bürgerschaftswahl am 25. Mai nicht wütend abstrafen - sondern ihm tatsächlich diesen Wunsch erfüllen.
Die Große Koalition ist einen pragmatischen Sanierungskurs gefahren: 10.000 neue Arbeitsplätze im Land schreibt sich die Koalition zu, ein überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum, massive Investionen in Technologieparks und den Aufbau einer Dienstleistungsbranche. Ohne diese Strukturpolitik, versichert SPD-Fraktionschef Jens Böhrnsen, läge die Arbeitslosenquote vermutlich noch weit über 13,5 Prozent.
Der Kurs hat allerdings seinen Preis: Rund neun Milliarden Euro Finanzhilfen von Bund und Ländern seien nicht zur Schuldentilgung aufgebracht worden, erklärt Politikwissenschaftler Probst: "Das Land hat mit rund zehn Milliarden Euro weiter die höchste Verschuldungsrate der Republik."
Doch gerade auch die weiterhin prekäre Lage könnte Wähler für eine Neuauflage von Rot-Schwarz gewinnen: "Viele denken: Die Probleme sind so groß, das kann nur eine Große Koalition schultern", urteilt der Politikwissenschaftler.
Scherf knüpfe mit seinem Kurs zudem an eine lange Tradition in der Hansestadt an: das Bündnis von "Kaufmannschaft und Arbeiterschaft". Diese Lager habe der Senatschef in seiner Person wieder zusammengebracht. "Zu dieser Koalition", meint Probst, "gibt es derzeit keine überzeugende Alternative."
(sueddeutsche.de/AFP)