Abstimmung im Bundestag:Weg frei für den Gesundheitsfonds

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Die große Koalition hat die letzten Hürden für den umstrittenen Gesundheitsfonds beseitigt - gegen die Opposition, die weiter von einer fatalen Fehlkonstruktion spricht.

Der Bundestag hat letzte Änderungen am Gesundheitsfonds beschlossen und damit den Weg für ein pünktliches Inkrafttreten zum 1. Januar frei gemacht. Der Fonds soll ab 2009 die Finanzierung der Kassen umkrempeln. Es wird ab dann für alle gut 200 Krankenkassen ein einheitlicher Beitragssatz von 15,5 Prozent gelten. Die Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern fließen zunächst in den Fonds und werden von dort aus neu verteilt.

Für die Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen ergeben sich durch den Fonds viele Änderungen (Foto: Foto: ddp)

In namentlicher Abstimmung votierten 386 Abgeordnete für das Gesetz und 164 dagegen. Es gab zwei Enthaltungen. In der vorangegangenen 90-minütigen Debatte zeigten sich Union und SPD auf der einen Seite und FDP, Linke und Grüne auf der anderen Seite erneut tief zerstritten.

Gesundheitsministerin Ulla Schmidt sagte, der Fonds sei auf geringes Wirtschaftswachstum im kommenden Jahr eingestellt. "Man müsste den Fonds geradezu erfinden, um das alles auf eine sichere Basis zu stellen." Er mache das Gesundheitssystem "einfacher, gerechter und fairer". Wenn alle Versicherten die gleichen Leistungen erhielten, müssten sie dafür auch den gleichen Teil ihres Einkommens aufbringen.

"Das neoliberale Modell nimmt seinen Lauf"

Die CDU/CSU-Gesundheitsexpertin Annette Widmann-Mauz nannte den Gesundheitsfonds ein transparenteres, gerechteres und nachhaltigeres Finanzierungsinstrument. Der FDP-Abgeordnete Daniel Bahr sprach dagegen von einem "schwarz-roten Feldversuch mit ungewissem Ausgang". Das beste wäre ein Verzicht.

Der Abgeordnete der Linksfraktion, Frank Spieth, sagte: "Das neoliberale Modell nimmt seinen Lauf": die Kosten würden immer stärker auf den Versicherten aufgebürdet. Für die Grünen-Fraktion stellte Birgitt Bender fest, der Fonds sei einfach eine Fehlkonstruktion. Er zwinge die Kassen dazu, einen rigiden Sparkurs zu fahren, wenn sie keinen Zusatzbeitrag erheben wollten. Spätestens 2010 würden sie aber gezwungen, flächendeckend Zusatzbeiträge zu erheben.

Schmidt ging in ihrer Rede auch mit den Managern der Krankenkassen ins Gericht: Diese sollten sich nur einmal zusammensetzen und darüber reden, wie sie die elf Milliarden Euro, die ihnen künftig zusätzlich zur Verfügung stünden, bestmöglich einsetzen wollten. Dafür würden sie bezahlt und nicht dafür, "dass man den ganzen Tag herumjammert."

Auf der zweiten Seite finden Sie die wichtigsten Elemente des Gesundheitsfonds im Überblick.

Die wichtigsten Elemente des Fonds im Überblick:

Kasseninsolvenz: Künftig soll nicht mehr das jeweilige Bundesland dafür haften, wenn eine Krankenkasse in seiner Region Insolvenz anmelden muss. Somit können künftig auch Allgemeine Ortskrankenkassen (AOK) und regionale Versicherungen pleitegehen. Bei Zahlungsunfähigkeit müssen dann die übrigen Kassen der jeweiligen Kassenart für ungedeckte Verpflichtungen aufkommen - für eine insolvente AOK also die anderen Ortskrankenkassen. Erst wenn die Schwesterkassen dazu nicht mehr in der Lage sind, sollen alle Kassen über den Fonds haften. Insolvenzfähig waren bislang nur Kassen unter Aufsicht des Bundes wie Barmer, DAK und Techniker Krankenkasse. Hintergrund des Gesetzes ist, dass Kassen wie die AOK keine Rückstellungen für Pensionsansprüche für rund 10.000 Mitarbeiter in beamtenähnlichen Verhältnissen gebildet haben. Sie sollen dafür nun 40 Jahre Zeit bekommen. Insgesamt fehlen dafür rund zehn Milliarden Euro. Für die Verpflichtungen neuer Mitarbeiter müssen die Kassen ab 2010 in den Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) der Wirtschaft einzahlen.

Obergrenze für Länder: Das Paket regelt auch die von Bayern durchgesetzte Konvergenzklausel. Sie soll sicherstellen, dass kein Bundesland durch den Fonds und den neuen Finanzausgleich mit mehr als 100 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich belastet wird. Bei einer Überschreitung des Schwellenwertes erhalten die Kassen des betroffenen Landes höhere Zuweisungen aus dem Fonds. Die Mittel dafür werden aus der Liquiditätsreserve bezahlt, die innerhalb der nächsten vier Jahre aufgebaut werden soll. Diese wächst dadurch langsamer an. Notfalls muss der Bund unterjährige Schwankungen bei den Einnahmen ausgleichen.

Hausärzte: Die Krankenkassen werden verpflichtet, bis Ende Juni nächsten Jahres mit Hausarztverbänden in den Ländern Versorgungsverträge abzuschließen. Patienten, die sich in ein Hausarztmodell einschreiben lassen, sind dann verpflichtet, vor dem Besuch eines Fachmediziners stets ihren Hausarzt aufzusuchen. Dieser bekommt dann stärker die Rolle eines Lotsen. Als Belohnung kann ein Bonus gezahlt oder die Praxisgebühr erlassen werden. Voraussetzung für einen Vertrag mit einem Verband soll sein, dass darin mehr als die Hälfte der hausärztlich tätigen Allgemeinärzte eines Landes organisiert sind.

Altersgrenze: Als Maßnahme gegen den Medizinermangel dürfen Ärzte und Psychotherapeuten auch nach Vollendung des 68. Lebensjahres weiter als Vertragsarzt tätig sein. Die Regelung soll rückwirkend zum 1. Oktober in Kraft treten.

Rabattverträge: Künftig gelten neue Bedingungen für die Ausschreibung von Verträgen der Krankenkassen, etwa für Arzneirabatte. Hierbei soll das öffentliche Vergaberecht zur Anwendung kommen. Demnach muss ab einer bestimmten Absatzmenge des Medikaments europaweit ausgeschrieben werden. Hintergrund sind Rechtsstreitigkeiten bei früheren Ausschreibungen, insbesondere der AOK. Für Nachprüfungen zu den Rabattrunden sind die Vergabekammern zuständig. Bei Beschwerden gegen deren Entscheidung soll die Angelegenheit direkt vor dem Landessozialgericht landen.

Verwaltungsausgaben: Da Kassen mit vielen Mitgliedern sowie mit vielen chronisch Kranken besonders hohe Verwaltungsausgaben haben, sollen diese entsprechend umverteilt werden. Die Zahl der Mitglieder und der Krankheitszustand sollen bei der Umverteilung zu je 50 Prozent zugrundegelegt werden. Bisher war ein solcher Ausgleich nicht notwendig, da jede Kasse die Verwaltungskosten in ihren Beitragssatz einbauen konnte.

Beiträge: Die Krankenkassen werden zu einer pünktlichen Abführung ihrer Beitragseinnahmen an den neuen Fonds gezwungen. Rückstände müssen sie dem Bundesversicherungsamt innerhalb einer Frist von vier Wochen begründen. Werden die Unterlagen nicht vorgelegt oder reicht die Begründung nicht aus, werden sie mit einem Säumniszuschlag belangt.

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